Bild für Beitrag: Fabia Mantwill Orchestra | In.Sight
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Fabia Mantwill Orchestra

In.Sight

Berlin, 22.07.2025
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Dovile Sermokas

Fabia Mantwill hat im Juli mit ihrem 'Orchestra' ihr zweites Album IN.SIGHT veröffentlicht, das in mehrerer Hinsicht Maßstäbe setzt.
„May this music be a gentle hand on your shoulder.“ steht auf dem CD-Cover. Kann denn Musik die Empfindung einer taktilen Berührung hervorrufen? Gefühle berühren kann dieses Album allemal ohne rührend zu sein, denn man wird es sicher im Gedächtnis behalten. Diese Musik passt in kein Schema, wie kann man sie charakterisieren? Vielfältig, eindrucksvoll, virtuos, immer wieder überraschend? Auf jeden Fall außergewöhnlich.

Fabia Mantwill Orchestra

Das fängt schon an beim Line Up. Die Instrumente einer regulären Bigband sind nur je einmal vertreten, dazu kommen 15 Violinen bzw. Bratschen und 3 Celli. Sechs Gäste waren eingeladen: die Gitarristen Kurt Rosenwinkel und Roosevelt Collier, der Koraspieler Momi Maiga, der Akkordeonist Goran Stevanovic, der French Horn-Virtuose Morris Klipphus und die Klarinettistin Anat Cohen.
Fabia Mantwill selbst kommt aus Berlin und ist gerade mal Anfang Dreißig. 2017 gründete sie ihr Orchestra, mit dem sie 2021 das Album ‚Em.Perience‘ veröffentlichte; im gleichen Jahr war sie damit auf der Jazz Baltica vertreten. 2021 erhielt sie den Deutschen Jazzpreis in der Kategorie Arrangement des Jahres und sie ist seit 2022 künstlerische Leiterin des Berliner JugendJazzOrchesters.
Diesmal hat Fabia Mantwill hat alle Stücke mit Michael League und Magdalini Giannikou komponiert und die meisten selbst arrangiert; sie dirigiert, singt und spielt Saxofon.

Changieren von Genren und Stimmungen

Nur sechs Stücke mit insgesamt 38 Minuten sind zu hören, doch diese haben es in sich. ‚Satoyama‘ ist ein japanischer Begriff, der für ein harmonisches Verhältnis zwischen Mensch und Natur steht. So heißt auch das erste Stück, bei dem die Streicher die Melodie vorstellen. Japanisch klingende Percussion kommt hinzu bis dass die Bläser die Melodie übernehmen, gefolgt von einem SaxSolo der Dirigentin. Jedes Stück klingt anders, auch weil jedesmal ein anderer Musiker ein Solo übernimmt. Bei ‚Whirl the Wheel‘ spielt Roosevelt Collier Steel Guitar, die dabei auf dem Schoß liegt wie eine Zither. Genren und Stimmungen changieren, wechseln sich ab oder gehen ineinander über.
‚Circular‘ ist von Momi Maigas westafrikanischer Kora geprägt, seine pentatonischen Soli werden von jazzigen Bläser-Sätzen kommentiert. ‚Sleeping Giant‘ ist besonders interessant, weil hier Goran Stevanovic am Akkordeon und Morris Klipphus am French Horn konkurrieren und kooperieren. Im Zusammenspiel mit den Streichern klingt das mal nach Klassik, mal wie Tango, dann wieder wie ein Volkslied, dann wieder ganz anders.
Bei ‚Olhos‘ improvisiert Anat Cohen durchgängig auf der Klarinette; auf dem Cover angekündigte vocals von Fabia Mantwill sind nicht zu hören. ‚Fairy Glen‘ steht am Ende des Albums und bringt Mantwills Musik auf den Punkt. In eine langsame Sequenz der Streicher ist ein recht schnelles Gitarrensolo von Kurt Rosenwinkel eingebettet. 

Crossover - Beyond Jazz - Neue Musik 

Es ist immer wieder erstaunlich, wie Fabia Mantwill es gelingt, die große Streicher-Section mit den anderen Instrumenten in Einklang zu bringen und so immer neue Klangräume zu schaffen. Schon Gershwin und Ellington haben Schritte zur Annäherung von Jazz und der europäischen ‚Neuen Musik‘ unternommen. Crossover als Wechsel zwischen Genres hat sich schon länger etabliert, doch Mantwills Orchester geht viel weiter. 
Ähnliche Schritte ist die Big Band der Deutschen Oper Berlin mit Titus Engel gegangen (EPITAPH 2022). Emiliano Sampaio, Niko Seibold (‚Elftonensemble‘) und Stephan Stadtfeld (‚Large Ensemble‘) spielen in ihren erweiterten Bigbands eigene Kompositionen als Kammermusik, wobei Improvisationen dazugehören. 
Zeichnet sich damit ein neues Genre ab? Auf jeden Fall steht diese Musik für Öffnung, für den Abbau von Grenzen und damit verbundenen Vorurteilen, also für alles, was wir im Moment besonders brauchen.
Und ja, ich habe Fabias „gentle hand“ auf meiner Schulter gespürt.

Fabia Mantwill Orchestra - IN.SIGHT
Vertrieb: fabiamantwill.bandcamp.com/The Orchard
Katalognr. CD GUM725FMCD, LP GUM725FMV
VÖ: 25.07.2025 
http://www.fabiamantwill.com/

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