Stephan Stadtfeld
Caught in a Rug
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Sven Serkis
‚Caught in a Rug‘ heißt das erste Album des Berliner 'Stephan Stadtfeld Large Ensemble', das gerade erschienen ist. Die ungewöhnliche Formation aus neun typischen Bigband-Instrumenten (3 Trompeten, 3 Posaunen, Bass, Piano, Drums) und sechs Streichinstrumenten (3 Violinen, Viola, 2 Celli) setzt Maßstäbe für eine neue Art von 'Fusion'. Jazz und Klassik finden hier zusammen, obwohl Bläser und Streicher traditionell nicht immer die besten Freunde sind.
Nach dem ersten Stück ‚Caught in a Rug‘ ist das Album benannt. In einem Teppich gefangen zu sein, könnte Beklemmungen auslösen, doch das Album signalisiert eher Befreiung, denn es strahlt viel Optimismus aus. Stephan Stadtfeld hat alles arrangiert und fünf Stücke selbst komponiert.
Freischütz – Spice Girls – Schumann – Eigenkompositionen – und mehr
Das erste Stück wie auch ‚By the Way‘ und ‚Onkel Hip’ bieten einen vollen Sound, der dem einer großen Big Band nahekommt. Viele Soli sind zu hören, besonders von den Trompetern Christian Meyers und Peter Dörpinghaus, den Posaunisten Simon Harrer und Friedrich Milz und dem Pianisten Gwilym Simcock, der in fast allen Stücken als Solist hervortritt.
‚Wannabe’, der größte Erfolg der Spice Girls aus dem Jahr 1996, hätte man hier nicht vermutet. Das Stück kommt sehr funkig rüber mit viel Raum für Improvisationen und Akzente des Drummers Tobias Backhaus im zweiten Teil. Ruhiger gehts zu bei Stücken wie ‚Song for M` und ‚Over the Rainbow‘ am Ende der CD.
Doch all das ist nichts grundsätzlich Neues, das Besondere am neuen Album ist vielmehr das Ensembleformat mit Streichern und Bläsern, das sich vor allem beim ‚Covern‘ klassischer Musik anbietet.
‚Widmung‘ ist ein Stück von Robert Schumann und Teil des Liederzyklus "Myrthen" Opus 25, das im Original für Gesang und Klavier geschrieben wurde, Stephan hat die Melodie reharmonisiert und für ein Streichsextett instrumentiert.
‚Wald‘ basiert auf Webers Ouvertüre zum ‚Freischütz‘, die auch auf in Stephans Version sehr ruhig klingt. Streicher und Bläser agieren gut zusammen, den Part der Hörner des Symphonieorchesters übernimmt Stephan Stadtfeld am Flügelhorn.
Das Zusammenspiel von Bläsern und Streichern gelingt am besten bei ‘I Remember Peter’. Der Titel könnte an ‚I remember Clifford‘ erinnern, mit dem Benny Golson 1958 den frühen Tod des Trompeters Clifford Brown beklagte. Stephan hat dieses von ihm komponierte Stüclk Stück seinem ebenfalls verstorbenen Trompetenlehrer Peter gewidmet. Es beginnt mit einem Posaunensolo von Simon Harrer, das abwechselnd sacht von Piano, Streichern und Trompeten begleitet wird. Am Ende baut sich ein Crescendo auf, das zu einem symphonischen Abschluss führt. Im Outro dann wieder ruhige Töne in einem Piano Solo von Gwilym Simcock – vielleicht das beste Stück des Albums.
Stephan Stadtfeld
Stephan Stadtfeld wurde 1984 in Koblenz geboren. Er studierte klassische Trompete und ist seit 16 Jahren festes Mitglied im Konzerthausorchester Berlin. Neben der klassischen Musik begeisterte er sich schon immer für Jazz, Funk und Big Band Musik. So studierte er nach dem Diplom auch noch Jazztrompete und begann zu komponieren. Nach dem Studium von Jazz, Komposition und Arrangement ist er nun frisch gebackener Master of Jazz.
Bläser und Streicher – Jazz und Klassik
Als Klassik- und Jazz-Trompeter ist Stephan Stadtfeld Mittler zwischen den Welten. In beiden ist er zu Hause und nur er konnte die unterschiedlich ausgebildeten Musiker zusammenbringen. Doch wie sieht er das Zusammenspiel der beiden Gruppen? Arbeitsteilung oder Symbiose? Er meint dazu:
„Beides. Musikalisch wollte ich mit diesem Album sowohl meinen klassischen als auch meinen Jazz- Background einfließen lassen und auch viele meiner Freunde aus den unterschiedlichen Musikszenen zusammenbringen. Das stilistische und klangliche Spektrum ist sehr breit. Besonders durch den Einsatz der Streicher hatte ich beim Schreiben viele Möglichkeiten verschiedene Farben und Facetten zu zeigen. Das Streicher-Ensemble bildet immer wieder einen ruhigen Gegenpol zum funkigen und brassigen Band-Sound. Außerdem konnte ich durch die Kombination aus Blech und Streichern wie für ein Orchester instrumentieren und eine sehr symphonische Wirkung erzielen. Durch diese unterschiedlichen Stile ergeben sich mitunter starke Kontraste und Brüche, was ich persönlich sehr gerne mag.“
Der Umgang mit Kontrasten und Brüchen ist sicher eine Herausforderung, der das Ensemble hier recht gut gerecht geworden ist. Doch dies ist erst ein Anfang. Könnte man die Musiker beider Welten noch mehr zueinander bringen? Bei ‘I Remember Peter’ ist das sehr gut gelungen. Könnten auch die Streicher improvisieren und die Bläser sich dafür bei den Soli zurückhalten?
In dieser Richtung tut sich einiges im aktuellen Jazz, z. B. beim 'Elftonensemble von Niko Seibold und bei der Big Band of the Deutsche Oper Berlin. Stephan Stadtfelds Ensemble ist sicher mit dabei. Von ihm wird noch einiges zu hören sein.
Stephan Stadtfeld - Caught In A Rug
Label: XJazz!
Bestellnummer: 11904848
Erscheinungstermin: 4.10.2024
"Large Ensemble“:
trumpet / flugelhorn
Christian Meyers, Peter Dörpinghaus, Stephan Stadtfeld
trombone
Simon Harrer, Friedrich Milz, Vladimir Veres
piano
Gwilym Simcock
bass
Paul Kleber
drums
Tobias Backhaus
violin
Andreas Feldmann, Melanie Richter, Karoline Bestehorn
viola
Dorian Wetzel
cello
Alexander Kahl, Umut Saglam