Bild für Beitrag: HAROLD LOPEZ NUSSA | Timba a la Americana
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HAROLD LOPEZ NUSSA

Timba a la Americana

New York, 02.09.2023
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Paulo Vitale

Fidel Castro mochte nicht, wenn von Salsa geredet wurde – also fiel dieser weltweit geläufige Genrebegriff der Sprachpolizei zum Opfer. „Timba“ wurde zum Ersatzbegriff - und ist auch für den kubanischen Pianisten Harold Lopez Nussa ein griffiges Etikett, um auf seinem neuen Blue-Note-Album den Latin-Jazz stilsicher zu modernisieren. Damit knüpft Harold López-Nussa an den Erfolg seines Vorgängeralbums ‚Te lo dije’ an.

NEUES LINE-UP UND VIELE DIGITALE INSTRUMENTE

‚Timba’ hat viele Bedeutungen. Hier ist wohl neben der ursprünglich aus der brasilianischen Musik stammenden Trommel (s. 1. Abb. unten) die cubanische Musik gemeint. Da in Castros Cuba das Wort ‚Salsa‘ nicht gerne gehört wurde, hat sich auch der Begriff ‚Timba‘ eingebürgert. Der kubanisch-lateinamerikanische Akzent des neuen Albums wird schon an den Instrumenten sichtbar:  Congas, Claves (Klangstäbchen), Shekere (2.-4. Abb. unten), Bombo Legüero und Batá sind diesmal dabei (s. Fotos unten). Und „a la Americana“? Liegt Cuba nicht auch in Amerika? Ja, doch auch bei uns ist mit ‚Amerika‘ oft die USA gemeint. ‚La Americana‘ heißt allerdings auch ein bekanntes cubanisches Dessert, verriet mir Harold auf Nachfrage, die ‚pasta de guayaba con queso‘. Es ist also wie so oft in der Kunst, vieles bleibt doppelt – bzw. uneindeutig und jeder kann eigene Bedeutungen kreieren. Klar ist, dass es um kubanische und US-amerikanische Musik geht, nicht zuletzt, weil dieses Album in New York von BLUE NOTE produziert wurde. Auch die diversen digitalen Instrumente lassen eine ‚amerikanische Handschrift‘ erkennen: ARP Omni, Moog Matriarch, Minimoog, Mellotron, Prophet 6. López-Nussa selbst spielt hier auch Fender Rhodes.

Mit karibischem Flair beginnt das Album: Funky. Harolds Steinway liefert in einer Art Ostinato kontinuierlich die Melodie, von seinem Bruder Ruy Adrián López-Nussa energisch auf den Drums begleitet. Unvermittelt setzt Grégoire Maret mit seiner Chromatic Harmonica ein, das hätte man hier vielleicht nicht vermutet. Da ist viel Energie drin, die auf alles Weitere neugierig macht. 'Cake a la Moda' erinnert erst leicht an 'Love for Sale', geht dann aber mit wechselweisen Soli von Harmonica von Piano in eine andere Richtung. Der Trompeter Mayquel González ist diesmal nicht dabei, denn Bläser sind nicht vorgesehen. Deren Part übernimmt weitgehend Michael League auf seinem ARP-Synthesizer.

'Mal du Pays' klingt da ganz anders, ruhig, der Fender Rhodes wummert etwas unscharf herum. Doch es klingt auch wehmütig, kein Wunder, denn es geht um Heimweh, wohl nach Cuba, denn die Band ist weltweit unterwegs und nur zeitweise zu Hause in Havanna. Dann kommt die Harmonica dazu, Bárbaro “Machito” Crespo spielt auf drei Congas und Harold wechselt wieder zu klaren Tönen auf dem Piano, sachte begleitet vom Bassisten Luques Curtis.
Zehn Stücke sind es insgesamt. 'Afro en Toulouse' beginnt mit einem perkussiven Intro von Bárbaro “Machito” Crespo auf der Batá, einer konischen Trommel, die ursprünglich aus Westafrika stammt, aber auch in der afroamerikanischen Santería-Religion in der Karibik verwendet wird. Sein Gesang klingt afrikanisch, aber warum Toulouse?

jenseits der klassischen songstruktur

Lateinamerikanische Rhythmen haben bei diesem neuen Album noch mehr Bedeutung als vorher.  López-Nussa wollte mit diesem Album die klassische Songstruktur der lateinamerikanischen Musik aufbrechen. Zusammen mit Michael League, dem Bassisten und Gründer der texanischen Funk- und Fusion-Band 'Snarky Puppy', suchte er nach neuen Vertonungen für Rhythmen der kubanischen Clave-Patterns.

Schon beim letzten Album hatte Harold mit 'Y La Negra bailaba' und 'El Clarín de la Selva' Anleihen beim kubanischen Danzón gemacht, dem Grundtanz, der im späten 19. Jahrhundert im cubanischen Matanzas entstand. Deshalb kommen auch die Batá-Trommel-Rhythmen zum Einsatz, die früher zur Beschwörung der Gottheiten verwendet wurden. Harold integriert sie, z. B. bei Afro en Toulouse, in die polyrhythmischen modernen Improvisationen seiner Band. Doch Melodien sind deshalb nicht verpönt, wie 'Mamá' und 'Tumba la Timba' zeigen. Harold dazu:
„Es gibt einige Melodien, bei denen man sich vorstellen kann, dass sie die klassischen Rhythmen von früher haben, Rumba und Conga und so weiter. … Dann gibt es einige Stücke, bei denen der Grundrhythmus nicht so offensichtlich ist und die eine gewisse Komplexität aufweisen, was ich auch liebe. Aber ich wollte den Groove nicht verlieren. Ich liebe es zu tanzen und ich liebe es immer, wenn Leute tanzen. Es sagt mir, dass die Musik lebendig ist.“
Harold und Michael haben fast alle Stücke komponiert. Nicht so 'Tierra Mía', einen Komposition von Harolds Onkel Ernan López-Nussa Lekszycki, die schon etwas anders klingt und am Ende stark an den 'Buena Vista Social Club' erinnert. Kein Wunder, schließlich hat Harold Omara Portuondo als Pianist bei Tourneen begleitet. Zum guten Abschluss ein sehr optimistisch klingendes Stück: Hope.

Von diesem Album wurde gesagt, dass es einer umfassenden Modernisierung des Latin Jazz gleichkommt. Zu Recht. Analog zum hochgelobten Fado Jazz von Júlio Resende könnte man hier von 'Cuba Jazz' o. ä. sprechen, auch wenn solche Etikettierungen oft in die Irre führen. Auf jeden Fall gehen hier die Welten der nord- und zentralamerikanischen Musik eine anspruchsvolle und ansprechende Symbiose ein, die auf weitere grandiose Alben hoffen lässt.

EIN ECHTER LIVE-MUSIKER 

Harold López-Nussa ist vor zwei Jahren mit viel Erfolg beim Montreux Festival aufgetreten. nrwjazz hat ihn schon im November letzten Jahres in einer Review zu einem Konzert in Herdecke vorgestellt. Erst vor kurzem berichteten wir über sein Konzert im Wuppertaler Skulpturenpark.

Harold López-Nussa, Timba A La Americana
Label: Blue Note, 2023
Bestellnummer: CD 11510526
Erscheinungstermin: 25.8.2023 

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