López-Nussa Trio
Tres hermanos in Herdecke
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Harold López-Nussa ist inzwischen ein bekannter cubanischer Pianist. Am 5. November war er mit seinem Trio in Herdecke zu Gast.
Ersts kurz vor Beginn ist die Band da, aber sie legt sofort richtig los mit dem temperamentvollen Habana sin Sábanas. Die Nächte in Havanna scheinen kurz zu sein in der kubanischen Hauptstadt, wenn man dort, wie der Titel sagt, keine Bettwäsche (Sábanas) benötigt.
- Tres hermanos de Habana
Und genau daher kommt die Band der drei Brüder, von denen einer „brother from a different mother“ ist, wie wir gleich zu Anfang erfahren. Harold López-Nussa ist ein fast 40jähriger, sehr sympathischer Pianist. Er kommt aus einer Musikerfamilie und wurde in Havanna zum klassischen Konzertpianisten ausgebildet. 2007 wechselte er zum Jazz und baute eine eigene Band auf. Drei Jahre lang hat er als Pianist Omara Portuondo vom Buena Vista Social Club bei internationalen Tourneen begleitet. Unter eigenem Namen legte er Alben wie Herencia und El país de las maravillas vor, auch mit Eigenkompositionen. Zuletzt erschien vor zwei JahrenTe lo dije (s. Abb. u.r.). Mit seinem Trio und als Solist spielte er auf internationalen Festivals in Montreux, Montreal, San Francisco, beim North Sea Jazz Festival, in Moers und erst kürzlich in Leverkusen. Drummer Ruy Adrián López-Nussa war immer dabei, Luques Curtis (Bass) ersetzt Felipe Cabrera und scheint nur bei dieser Tournee dabei zu sein.
- Cubanische Tänze
Piano+Bass+Drums - das ist wahrlich kein auffälliges Line Up und so ein Trio muss schon allerhand bieten, um Aufmerksamkeit zu erlangen, was diesem Trio aber mühelos gelingt. Quer durch alle bisherigen Alben hören wir Stücke, die sich deutlich unterscheiden, aber alle den gleichen unverwechselbaren karibischen Jazz-Sound haben.
Auf Habana sin Sábanas folgt Y La Negra bailaba, ein afro-kubanischer Tanz von Ernesto Lecuona. Paseo beginnt mit einem Drumsolo von Ruy Adrian López-Nussa, das er mit fellbezogenen Mellets spielt, man glaubt eine Pauke zu hören. Er begleitet die Band mit vielfältigen Einwürfen, die über die reguläre Drum-Begleitung hinausgehen. Der Bassist Luques Curtis bleibt als Stiefbruder nicht außen vor, sondern bringt sich mit Bassläufen und Soli ein, auch wenn die Beziehung der beiden anderen Brüder sehr intensiv zu sein scheint.
El Clarín de la Selva ist der Titel eines mexikanischen Gedichts, hier ist es ein typischer kubanischer Danzón, ein Tanz, der in Cuba allerdings weitgehend vom Cha Cha Cha verdrängt worden ist. Jocosa Guajira, die 'lustige Guajira' steht für eine andere kubanische Musikrichtung, die mit dem Flamenco zu tun hat. Das Intro bilden deshalb 'palmas', rhythmisches Händeklatschen, und zwischendurch scheint auch Guajira Guantanamera, das hübsche Mädchen aus Guantánamo, um die Ecke zu lugen.
- Footprints und Cha Cha Cha
Die Bühne des Werner Richard Saals wird auch heute wieder in wechselnden Farben in einem Muster angestrahlt. Wir berichteten schon beim Konzert von Kinga Glyk darüber. Die Farben passen gut zum fröhlichen Charakter der Musik.
Mit Footprins von Wayne Shorter kommt ein Jazz-Klassiker auf die Bühne, ein Höhepunkt des Konzerts. Harold und Ruy spielen im Duo, der Drummer neben dem Pianisten auf dem Cajón. Da spürt man, wie nah sich die beiden Brüder sind und wie intensiv sie musikalisch, aber auch mimisch kommunizieren.
Ganz anders klingt Mal de Pays. Es bedeutet eigentlich 'Heimweh', Harold spielt es „for my country“, denn die ökonomische Lage von Cuba ist schlimm, erzählt er mir in einem kurzen Interview in der Pause. Hilfe ist nötig, das hätte er auch auf der Bühne sagen können. Die Melodie des Stücks stammt von Franz Liszt, der es vor knapp 200 Jahren als eine Suite für seine Années de pélérinage geschrieben hat, für ihn war damals die Schweiz der Sehnsuchtsort.
Doch dann gibt es wieder kubanische Musik 'aus allen Rohren'. Lobo's Cha ist ein weiteres Highlight, die Band spielt es hier noch vielfältiger als bei der Originalversion auf dem Album El viaje (2016). Es ist wirklich umwerfend wie souverän die Band mit den unterschiedlichen Genres umgeht und mühelos zwischen ihnen wechselt. Erst klingt es klassisch, dann bluesig, doch dann meint man im Buena Vista Social Club angekommen zu sein. Alles ist da, Mambo, Salsa, Rumba, Bolero und , 'Cha Cha Cha'. Das flüstern erst die Musiker und 'Cha Cha Cha' flüstern nun auch die Zuschauer, die immer stärker eingebunden werden und am Ende des Konzerts mitsingen.
Darum zum Schluss Standing Ovations, tosender Beifall, da kommt die Band schnell zurück. „Es un pedazo del alma, que se arranca sin piedad„ - der 'seelenzerreißende' Text des Boleros VEINTE AÑOS wird bei der Zugabe zwar nicht gesungen, aber man kann ihn förmlich heraushören. Das Stück kennen alle vom Buena Vista Social Club. Wieder Standing Ovations und ein wunderbares Konzert geht nach zwei Stunden zu Ende.
Nach dem Konzert Sekt für alle – das ist Standard bei Konzerten der Stiftung. Für die Band geht es gleich am nächsten Tag weiter nach Leverkusen, dann Hamburg, Bremen, Berlin, London und Südfrankreich. Doch ihre Heimat bleibt – auch in musikalischer Sicht – La Habana/Cuba. Schön, dass auch Herdecke davon profitieren konnte!