Behind Her Eyes
Intimer Kammerjazz mit asketisch-konzentrierter Power
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
Das Duo von dem Saxophonisten Peter Ehwald und dem Pianisten Stefan Schultze ist gut eingespielt, man kennt sich schon von der Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule an und von etlichen gemeinsamen Auftritten. Zu den beiden kommt jetzt der US-Amerikaner Tom Rainey hinzu, ein „alter Hase“ im Jazz-Zirkus mit umfangreicher Mitwirkung auf über 80 Alben, bekannt für sein einfühlsam-melodisches Spiel an den Drums und deshalb gern eingesetzter Schlagzeuger und Perkussionist.
Live war das Trio unlängst im Kölner Loft zu hören (s. Review von nrwjazz.net), seine in diesem Jahr erschienene CD Behind Her Eyes gibt Gelegenheit zu einem konzentrierten Musik-Erleben. Konzentration bedarf es schon, die elf Titel des Albums zu hören und einem intimen Interplay von drei hervorragenden Instrumentalisten beizuwohnen. Belohnt wird man mit einem puren, ja geradezu puristischen Album ohne Technikspielerein, mit einer einfühlsamen Ensemble- verbunden mit einer hervorragenden instrumentellen Leistung der Einzelmusiker.
Der Opener Edgewise startet mit einem akustischen Ausrufezeichen auf der Snare, es folgt ein sehr stilles Stück mit Phrasen des Tenorsaxophons, von nur wenigen Klavierakkorden und zurückhaltendender Perkussion begleitet. Hiermit wird bereits der feinfühlige Grundtenor des gesamten Albums aufzeigt. Mit Blasgeräuschen findet das Stück sein musikalisches Fading-Out. Das ruhig-balladeske Capucine mit expressivem Saxophon-Ton und einem starken Pianosolo gibt ebenso ein Beispiel für das besinnliche Zusammenspiel der drei Musiker wie der Titel Flood mit seinem tastenden Gestus in impressionistischer Ruhe oder der lyrisch-verträumte Silent Song. Letzterer nimmt langsam Fahrt auf und geht über in ein schnelles Duo von Piano und Drums.
Überhaupt vernimmt man auf dem Album häufig reine Duo-Passagen. Alle Trio-Mitglieder zeigen sich hier souverän auch in ihrer Rücknahme. Die musikalische Power ist nach innen gerichtet, Zuhören und Zulassen haben ein stärkeres Gewicht als ein draufgängerischesDrauflosspielen. Andere Titel zeugen von einer starken rhythmischen Kraft: das zupackende schnelle Ton-Gu oder Lucky Number mit seinen intermittierend gespielten Sequenzen und energetischen Ausbrüchen und kantigen Improvisationen oder Whereabouts, bei dem über einem stampfenden, filigran gespielten Rhythmus schnelle Läufe mit zum Teil präpariertem Klavier und Saxophon gelegt werden.
Behind Her Eyes ist ein ausgesprochen feinfühliges und gleichzeitig ausdrucksvolles Album, ein gelungenes Beispiel von intimem Kammerjazz mit asketisch-konzentrierter Power. Peter Ehwald und Stefan Schultze erweisen sich als nuancenreiche und versierte Komponisten und Improvisatoren. Und natürlich ist der Star am Schlagzeug eine ideale Besetzung. Wie Tom Rainey es versteht, Rhythmik als Klangraum zu generieren und Klänge im rhythmischen Modus zu verwenden, ist ein wahres Vergnügen und sicherlich Inspirationsquelle für das gemeinsame Trio-Spiel. Man versteht, dass Rainey der Wunschdrummer von Ehwald und Schultze für das Album war.
Peter Ehwald, Stefan Schultze, Tom Rainey: Behind Her Eyes. Jazzwerkstatt 180.