Hugo Read
Pain and Glory
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Hugo Read s Altsaxofonspiel ist prägnant und unverkennbar – auf der Suche nach passenden Attributen ist „filigran“ vielleicht am naheliegendsten. Oder kammermusikalisch? Expressiv? Hymnisch? Irgendwie über den Dingen schwebend. Worte sind immer auch Schubladen, denen purer Klang sich entzieht...
Fast schon romantisch, kammermusikalisch und wie feine Kalligrafie zeichnet Hugo Read s Spiel feinziselierte Bögen, dringt in endlose Verästelungen und Verfeinerungszustände vor. Gleich nach balladeskem Jazz folgt auf seinem neuen Quintett-Album ein westlich-indischer Brückenschlag: Ramesh Shotham spielt nicht nur die Tabla, sondern vokalisiert die perkussiven Laute in klassischer Manier, als dann Klavier und Saxofon zum sinnlichen Tanz aufspielen und sich Read gerne auch mal beschwörend in Rage hinein soliert. Der Kosmos endloser modaler Möglichkeiten ist für einen Spieler wie Read gerade groß genug, ebenfalls erweist sich hier die moderne Klassik des 20. Jahrhunderts als fruchbarer Nährboden. So etwas inspiriert auch Thomas Rückert zu einem vielgestaltigen Spiel voll lyrischer Tiefe und impressionistischer Momente. Auch ein Cello, hier gespielt von Conrad Noll, verschafft sich in ausgesuchten Momenten Gehör, während Reza Askari am Bass für ein ebenso bewegliches Fundament untenrum sorgt.
Wo fängt Jazz an, was passiert an seinen Grenzen und jenseits davon? Vorgefertigte Antworten auf diese Fragen würden Stillstand markieren. Hugo Read und seine fabelhaften Mitstreiter sind hier längst viel weiter. Etwa wenn aus Klangminiaturen, die der zweiten Wiener Schule entstammen könnten, wunderbar leichtfüßige Tabla-begleitete improvisierte Schwelgereien wie ein sprudelnder Bach fließen. Zuweilen ist man an Oregon erinnert, wenn schon von Referenzen die Rede ist. Die suitenartige Verschränkung der Stücke auf dieser CD verstärkt den Eindruck eines eingewebten Gesamtkunstwerks.
Was für ein solider Erfahrungsschatz hinter dieser ganzen sprühenden Musikalität steht, darüber geben die biografischen Infos Aufschluss: Seit 1972 studierte Hugo Read Flöte und klassisches Saxofon in Köln. Das New Art Ensemble und das Ensemble Modern gehörten zu seinen Wirkungsstätten. Nicht zuletzt Karlheinz Stockhausen war auf Hugo Read aufmerksam geworden, als er ihn 1979 für sein legendäres Großprojekt „Sternklang“ ins Boot holte. Ebenso gehört auch der Sohn Markus Stockhausen zu seinen langjährigen Partnern, ebenso Thomas Rückert . Seit 1991 gibt er seine Kunst an der Folkwang Hochschule an den hoffnungsvollen Nachwuchs weiter.
Hugo Read - Saxophone
Ramesh Shotam - Percussion
Thomas Rückert
- piano
Reza Askari - double bass
Conrad Soll - Cello
Challenge Records 2019
Video unter