The Long Winding Road
Kalle Kalima macht beim FineArtJazz Station
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Manchmal reisen der Gitarrist Kalle Kalima, Bassist Greg Cohen und der Schlagzeuger Max Andrzejewski gar zu Pferde zu einem Live-Termin, so geschehen im letzten Jahr vor erhabener Dolomiten-Kulisse auf dem bemerkenswerten Alto-Adige Jazzfestival. Ob diese auch auf ihrer ausgiebigen Tournee kreuz und quer durch Deutschland und seine Nachbarländer zum Einsatz kommen, ist reine Spekulation. Tatsache ist, dass dieses Trio mit ihrer neuen CD überaus gefragt ist – nicht zuletzt, weil mal wieder kreativ über eine zündende kreative Botschaft nachgedacht wurde. „High Noon“ ist ein musikalisches Road-Movie, das stark in der imaginativen Kraft von Western-Filmmelodien, starken Mythen und ebenso großen Gefühlen gründet. Und hier leben bestechende Qualitäten auf, mit der sich Jazzmusiker von Weltklasse die Energie großen Songwritings zu eigen machen.
Freiheit und Abenteuer suggerierte dann auch der singende Gitarrensound des in Berlin lebenden Finnen Kalle Kalima. „High Noon“ funktioniert nicht nur um zwölf Uhr Mittags bestens, denn auch am Abend auf der Gelsenkirchener Burg Lüttinghof funktionierte die Chemie bestens mit dem New Yorker Bassisten Greg Cohen und dem Schlagzeuger Max Andrzejewski. Jazz trifft hier auf Country und Western, aber es passiert noch viel mehr. Und weil beides miteinander so gut harmoniert bzw. im Spiel dieses Trios sogar äußerst intelligent und inspirierend miteinander reagiert, war beim Konzert im Rahmen der FineArtJazz-Konzertreihe jede Vorstellung von „Nischen-Musik“ auf einmal passé.
Zwar lodern beim Konzert auf Lüttinghof dann doch keine Lagerfeuer auf , behagliche Wärme breitete sich im Publikum aber dennoch aus. Singend und immer ganz im Zentrum steht das feingliedrige Gitarrenspiel des Finnen. Greg Cohen, der sonst bei John Zorn den Bass spielt, erdet all dies in wohldosierter Weise und erhält sich auch in einem großen Solo-Showdown sämtliche Empfindsamkeit. Max Andrejzewski waltet am Schlagzeug als zuverlässiger Motor in diesem imaginären Roadmovie.
Titelmelodien aus Fünfzigerjahre-Western-Klassikern sind Stationen dieser Reise und die Atmosphäre von Kalimas countryesk gefärbten, aber in filigranster Manier weitergedachten Arrangements spannt weite Horizonte. Völlig geschmeidig fügen sich Lieder aus der finnischen Volksmusik an, dass diese fast seelenverwandt wirken. Später ergreift Leonard Cohens „Halleluja“ die Gemüter - und dann huldigt Kalle Kalima in einer jazzigen Adaption des „Jägermarsches“ des großen Jean Sibelius, der natürlich auch für Kalima ein Nationalkomponist ist – vor allem auch eine Symbolfigur für eine Befreiung von Fremdherrschaft. Geballte musikalische Intelligenz, wie sie in diesem Trio lebt, muss nicht immer komplex und schwer daher kommen - sondern kann auch mal sehr melodiös und eingängig wirken. Die signalhafte Wirkung guter Song-Melodien ist – eine authentische und tief verstandene Interpretation vorausgesetzt - sowieso durch nichts zu ersetzen.
CD-Tipp
Kalle Kalima: High Noon
(ACT 2016)
(Rezension bei nrwjazz)