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High Noon von Kalle Kalima

„Kraft von eigentlich Kitschigem“

Bochum, 08.02.2016
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | 

Nein, einen Beitrag zu ‚100 Jahre Dada’ mit etwaigen avantgardistischen Höhenflügen stellt die neue CD von Kalle Kalima nicht dar, der finnische, in Berlin lebende Gitarrist ist als Gratwanderer zwischen vielen Stilen bekannt, als überaus interessanter Improvisator, als Jazz-Anarchist mit der Band Kuu!, als Rockgitarrist mit Reverenzen an seine finnische Heimat. Der Titel High Noon gibt die musikalische Richtung seiner neuen CD an: Ja, Western- und Country-Music ist angesagt. So ganz mag das bei Kalle Kalima nicht überraschen, spielte er vor einigen Jahren bereits mit dem österreichischen Drummer Alfred Vogel und dessen Glorreichen Sieben bei Country-Jazz-Projekten mit. Für High Noon kommen Max Andrzejewski an den Drums und Greg Cohen am Kontrabass hinzu. Letzterer ist in NRW wahrlich kein Unbekannter, war er doch 2006 als Kurator der Reihe Century of Song der Ruhrtriennale tätig und trat dort mit David Byrne, Joe Henry, Holly Cole und Laurie Anderson auf, als Bassist hat er bereits mit Ornette Coleman, Keith Richards, Lou Reed, Bob Dylan und regelmäßig mit Tom Waits zusammen gearbeitet.

Einen vielleicht etwas überraschenden Spaß gönnen sich die Drei nun mit 13 „reinen“ Western-Stücken, mit vier „klassischen“ Filmhits des Hollywood-Komponisten Dimitri Tiomkin wie The Green Leaves Of Summer, The High And The Mighty, High Noon (Wer erinnert sich dabei nicht an den Westernklassiker von 1952 mit Gary Cooper?) und Ballad Of The Alamo - von Kalle Kalima mit einem Gitarrenspiel eingeführt, das an eine singende Säge erinnert und im jähen Tempowechsel in ein Solo mit fliegendem Galopp durch die Western-Sphäre wechselt. In den Reigen führt der alte Seemanns-Shanty Santy Anno ein, Western-Lagerfeuer-Romantik kommt mit Ghost Riders In The Sky auf oder mit Little Joe The Wrangler im klassischen Western-Shuttle. Der Beat-Evergreen Man Of Mystery von den Shadows darf nicht fehlen. Hallelujah von Leonard Cohen wird in einer langsamen, fast hymnischen Version präsentiert, die auch kein Gitarren-Tremolo scheut. Zwei Reminiszenzen an Kalle Kalimas Heimat – das finnische Volksstück Jääkärimarssi (Marsch der Jäger) und Hiski Salomaas Emigrationssong Lännen Lokari – werden von dem Trio unmerklich in den Country- und Western-Modus überführt, die Gitarre singt geradezu liebevoll die Volkslied-Melodie, der Kontrabass übernimmt auch gerne in gleicher Stimmung die Lead-Funktion.

Wer in High Noon Brechungen und ironische Distanzierung im Umgang mit dem Western-Material etwa à la Tom Waits erwartet, mag von dem triefenden Schmelz des Albums enttäuscht werden. Das Schwelgen im hohen Gitarrenregister bis hin zum Flageolett, der gesamte Sound der CD zeugen eher von der „Kraft von eigentlich Kitschigem“, die Kalima nach eigener Aussage reizt. Die Umsetzung entwickelt einen Retro-Charme, der sicherlich dem gekonnt nuancierten Zusammenspiel des Trios geschuldet ist: der versiert-virtuosen Gitarre Kalimas, dem stilsicheren Max Andrzejeski an den Drums und dem wunderbar variationsreichen Bass von Greg Cohen, dem man seine verschiedenen musikalischen Erfahrungsfelder bei jedem Ton und jeder Figur anhört. High Noon trifft mit dem perfekten Zugriff der Drei den Kern des „Country“. Die Atmosphäre der Road-Songs passte gut zu einem Kaurismäki-Film irgendwo in der Weite Finnlands oder MeckPomms und würde damit treffend ironisiert. Vielleicht gelingt dies auch in einem imaginierten Film beim schlichten Hören von High Noon.

In NRW ist Kalle Kalima mit seinem Trio in Kürze live in zwei Konzerten zu erleben: am 10.3. im Gelsenkirchener Lüttinghof-Die Burg am Wasser, am 12.3. im TIG in Mönchengladbach.

Kalle Kalima: High Noon. ACT 9596-2

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