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Vormärz im Dreivierteltakt

Eckard Koltermann bekommt den Jazz Pott 2023

Essen, 24.10.2023
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Ein besonderes Geburtstagsgeschenk hat sich die Initiative ‚Jazz in Essen‘ (JiE) ausgedacht: Die Verleihung des Preisträgerkonzertes zum ‚Jazz Pott‘ bildet den alljährlichen Auftakt der attraktiven Jazz-Reihe, in der 26. Ausgabe geht die Trophäe an Eckard Koltermann , der im kommenden Monat 65 Jahre alt wird. JiE-Kurator Berthold Klostermann betonte in seiner Einführung die Bedeutung des Musikers aus Wanne-Eickel, der zu den Pionieren und einem der Hauptakteure der europäisch vernetzten Improvisationsmusik aus dem Revier zählt. Pardon, Eckard Koltermann schätzt den Begriff ‚improvisierte Musik‘ nicht und zieht als Bezeichnung für sein Tun eher die Bezeichnung „instant composing“ vor. 

Eine Kategorisierung des Musikers fällt schwer 

Ohnehin fällt eine Kategorisierung des Musikers schwer, in unterschiedlichen Bereichen zwischen Jazz und Neuer Musik, Theater- und Kammermusik, Literaturvertonung, experimentellem Musikfilm und AV-Projekten bewegt sich Eckard Koltermann seit den 1980er Jahren. Eines seiner unterschiedlichen Ensembles trug den bezeichnenden Namen „Borderhopping“ – einigen vielleicht noch vom Moers Festival 2007 in Erinnerung. Der Bandname charakterisiert seine Arbeitsweise treffend: ein Grenzüberschreiten in Bezug auf Genres, auf Stile, auf die Verbindung von Komposition und Improvisation, auf verschiedene Veranstaltungsformen. Sein letztes Album „Bonus“ (4 CDs + 1 LP in limitierter Auflage – dem audiophilen Musiker und LP-Sammler ein Anliegen) gibt einen eindrucksvollen Einblick in seine Arbeiten in unterschiedlichen Konstellationen. (Rezension bei nrwjazz). 

Das Preisträgerkonzert als Werkschau

Und in diesem Sinne gestaltet er auch sein Preisträgerkonzert im Essener Grillo-Theater: Hier präsentiert er in Kleingruppen aus langjährigen Weggefährten eine Art Werkschau seines Schaffens. Das Konzert beginnt mit einer aktuellen Duo-Besetzung: Koltermann an der Bass-Klarinette im Dialog mit Serge Corteyn am Sampler. Es entwickelt sich ein wunderbar schwebendes Zwiegespräch, bei dem die Elektronik-Phrasen der Klarinette aufnimmt, verfremdet, verdoppelt und beide Instrumente in Echtzeit in einen dynamischen Zusammenhang bringt. In der kunstvollen Verarbeitung durch die digitalen Effekte wird deutlich: Am Computer und an den Reglern sitzt ein erfahrener Musiker – Corteyn ist Gitarrist - , der die technischen Möglichkeiten gekonnt „musikalisch“ einsetzt. Die Klarinette wird zum eigenen Begleitinstrument, das eine Phrase lyrisch umspielt. Klappengeräusche werden als rhythmisches Element eingesetzt.

Ein kompetenter Theatermusiker 

Im nächsten Setting ist Rupert Seidl der Duo-Partner von Koltermann: Beide verbindet eine gemeinsame Zeit am Schlosstheater Moers – Seidl als damaliger Intendant, Koltermann als musikalischer Leiter. Seidl deklamiert überzeugend akzentuiert Texte von Robert Gernhardt („Alltag“, „Mühlheim/Mainblues“, „Schöpfer und Geschöpfe“, „Immer“…), dazu ertönt kongenial die Bass-Klarinette. Sie unterstreicht, bekräftigt, betont und moduliert die Rezitation – ein perfektes Zusammenspiel von Sprache und Musik, ein perfektes Beispiel für Koltermanns Kompetenz in Sachen Theatermusik. Eine zusätzliche Klarinetten-Stimme kommt hinzu: Theo Jörgensmann (‚Jazz Pott‘-Preisträger 2018) löst mit seiner Altklarinette den Sprecher ab. Die beiden Bläser kennen sich seit Jahrzehnten und haben unzählige Male in unterschiedlichen Besetzungen gemeinsam musiziert. Man hört ihnen dies in Essen auch unmittelbar an: Ohne sich großartig Zeichen geben zu müssen, finden sie „blind“ ihren jeweiligen Einsatz, Koltermann vor allem mit Bass-Läufen, während Jörgensmann fokussiert und durchdringend mit bluesigen Phrasen die Lead-Stimme übernimmt. 

Wir gratulieren herzlich! 

Nach der Pause ist erneut ein aktuelles Ensemble von Koltermann zu erleben: ein Trio bestehend aus Achim Krämer (dr) und Christian Hammer (g) – zum Teil mit Unterstützung durch Serge Corteyn. Die präsentierten Stücke – u.a. Kompositionen von Christian Hammer – lassen ruhig-lyrische Phasen v.a. geprägt durch den Sound der Jazzgitarre vernehmen, die auch stellenweise den Walking Bass-Part übernimmt. Koltermann glänzt mit kraftvoll geblasenen Sequenzen. Der ‚Jazz Pott‘-Abend endet mit dem Stück „Vormärz“ im ¾-Takt – mit einem Bläser-Intro und einem Drum-Solo. In diesem Solo, aber auch in den anderen Stücken, zeigt Achim Krämer (übrigens Preisträger WDR-Jazzpreis 2022 für Improvisation) mit seinem phantasiereichen Einsatz, dass man mit einem Drum-Set deutlich mehr zaubern kann, als es als „bloßes“ Rhythmus-Instrument einzusetzen. Sein Spiel ist in der Verbindung von Rhythmik und Sound ausgesprochen variantenreich, ja zum Teil nimmt es die Intervalle von Klarinette und Gitarre wundersam auf. 
Ein rundum überzeugendes Preisträger-Konzert und eine Werkschau eines großen Musikers: Wir gratulieren herzlich!
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