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"There`s too many walls round here"

Luise Volkmanns LEONESauvage in Köln

Köln, 22.10.2022
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Tja, da haben viele Leute sehr viel verpasst! Aber dem Kölner Senftöpfchen-Theater, der für diesen Abend ausgesuchten Venue, war es zu verdanken, dass nichts von den befreienden Kräften in der Musik von Luise Volkmann s Band LEONESauvage verloren ging.

LEONE Sauvage, das ist die zweite große Band von Luise Volkmann – nicht weniger als 10 Menschen aus Irland, den USA, der Türkei und Deutschland bildeten die Besetzung dieses Abends.

Und damit sind wir auch schon beim Programm dieser Band. Ohne eine übergreifende emotionale Erzählung läuft auch in diesem Langzeit-Projekt dieser Bandleaderin gar nichts. LEONESauvage hob zusammen mit einer überschaubaren ZuhörerInnenschaft in kulturen-überspannende Sphären ab.

Atmosphärisch geht die Sache mit orientalischen Anklängen los, denn es wollen erst mal Referenzen offen gelegt sein. Ein armenischer Tanzrhytmus nimmt Fahrt auf. Aber die Band taucht tiefer, sobald die Kollektivimprovisationen wuchern. Oder hebt in planetarische Sphären ab? Luise Volkmann hält sehr viel von Sun Ra und seiner kosmischen Musik-Ethik, die sich einer besseren Welt verschrieben hatte. Sie hat darüber sogar ihre Bachelor-Arbeit geschrieben. All dies wird in Luise Volkmann s kompositorische Handschrift übersetzt - und von den Bandmitgliedern verstanden! Die großen Arrangements verströmen einen Freiheitsdrang, den man am liebsten einatmen möchte und genau darum geht es. Dass die Musik hochpräzise und reaktionsschnell daherkommt, ist nur Mittel zum Zweck. Vor vielen dieser collagenhaften Brüchen und Metrenwechsel dürfte so manche andere Band kapitulieren. Und ja: Auch kommen Luise Volkmann s Punkrock-Wurzeln ins Spiel, um die Sache auf solidem Boden zu erden. Nur Jazz? Wie langweilig wäre das denn! Songs mit Gesang appellieren in hymnischen Slogans an die befreiende Kraft durch Musik: “Kill your darlings, live the kitsch. We dance down our creed. There’s too many walls ’round here. Dreams to come, dreams to come. All to make, all to give. Free the music we give” heißt es in der Hymne von LEONE Sauvage.

Diese Musik "spricht"

Luise Volkmann ist eine international hervorragend vernetzte Bandleaderin. Der Grundstein für das Konzept von LEONE Sauvage wurde im Jahr 2016 in Frankreich gelegt, mitten in der harten urbanen Realität von Paris. Das erklärt vielleicht die Wiederborstigkeit in ihrer Musik ist. Seitdem haben sich die Besetzungen mehrmals geändert. Jan Frischs rauhes Vokalorgan passt bestens in diesen Mix hinein. Der in den USA lebende Gitarrist Keisuke Matsuno sorgt für rockiges, manchmal fast metal-lastiges Klanggewitter. Koray Berat Sari, der eingeladene Gastmusiker aus der Türkei steuert lyrischere Facetten bei, genauso wie die Flötistin Conni Trieder. Derweil die Bläsersesection in wild wuchernder und gerne auch disharmonischer Reibung kurz vorm Siedepunkt steht - unter Beteiligung von Gabriele Maurer am zweiten Altsax, Matthew Halpin am Tenor und Moritz Anthes auf der Posaune. Florian Herzog pumpt genug Tieftonfrequenz in die hochverdichtete Mischung rein, derweil Devin Grey präzise den polymetrischen Dschungel artikuliert auf dass die Musik in bestem Sinne „spricht“.

Am Ende des langen Sets zitierte die Band eine rasant-verspielte Hymne des 1970 unter nicht ganz geklärten Umständen verstorbenen Freejazz-Pioniers Albert Ayler. Viele von Aylers Melodien gehören zum Fröhlichsten, was der Jazz hervor gebracht hat. Man könnte fast von einem kindlichen Blick auf diese Welt sprechen, der hier mitschwingt. LEONESauvage covert aber nicht einfach diese klassische Nummer aus einer historischen Phase im Jazz, in denen – ebenso wie in der Programmmatik von LEONESauvage - künstlerische Visionen für Toleranz lautstark klingen durften. Am Ende drehte die Band im Senftöpfchen-Theater zu einem aberwitzigen Abschluss-Accelerando nochmal voll auf. Fazit dieses Abends: Musikalische Avantgarde und mitreißender Spaßfaktor verstehen sich bestens. Umso mehr, wenn dabei kulturelle und menschliche Brücken gebaut werden. Was doppelt wichtig ist in einer schlimmen Gegenwart, in der gerade viele Brücken kaputt zu gehen drohen.

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