Shaunette Hildabrand
Billie Holiday Remembered
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Unter dem Motto 'Billie Holiday remembered – The Life and Times of Lady Day' gastierte Shaunette Hildabrand mit ihrem Trio in ‚Haus Opherdicke‘ in Holzwickede. Die Location hat den Charakter eines Schlosses, in dem viele Ausstellungen und Konzerte stattfinden. Eine Wand des Konzertsaals ist verspiegelt und bietet eine zweite interessante Sicht auf die Band.
Das Konzert beginnt mit ‚I wish I had You‘ Mit diesem Song hat die Karriere von Billie Holidays begonnen, gefördert von Teddy Wilson. Shaunette berichtet davon und stellt Billie Holiday mit ihren vielen Namen von Eleanora Fagen bis ‚Lady Day‘ vor. Die vielen Namen stehen für das bewegte Leben, aber auch für die Vielfältigkeit der Künstlerin, die schon 1959 im Alter von 44 Jahren an den Folgen ihrer Drogenabhängigkeit starb.
Shaunette versucht beim Singen nicht Billie Holiday zu imitieren. Das ist gut so, denn es gibt viele Unterschiede zwischen den beiden. Billie Holiday war schwarz, jünger, hatte keine musikalische Ausbildung und verfügte nur über einen begrenzten Stimmumfang. Shaunette ist dagegen eine studierte Sängerin, die genau weiß, was sie tut und wie sie singen muss. Natürlich klingt das anders als im Original, nicht so emotional, sehr artikuliert, manchmal fast nüchtern, dann wieder beschwingt. Denn Billie Holiday war lange Shaunettes Vorbild, doch sie hat sich davon gelöst und ihren eigenen Weg gefunden.
Viele Songs werden geboten, darunter ‚I'm Gonna Lock My Heart and Throw Away the Key‘, das Billie zum ersten Mal 1938 sang. Rolf Marx spielt dazu zunächst Rhythmusgitarre, man fühlt sich an Freddie Green aus Count Basie’s Band erinnert. Doch dabei bleibt es nicht, denn schon bald geht er zu einem fantasievollen Solo über, dem sich Jos Machtel am Bass ebenso virtuos anschließt. ‚Good Morning Heartache‘ erinnert mehr an Billie Holidays bluesiges Timbre, während ‚Swing Brother Swing‘ wieder anders klingt.
‚Lady sings the blues‘ nannte Billie Holiday ihre Autobiografie. Doch im zweiten Set erfahren wir von Shaunette, dass Billie nur wenige Blues-Stücke gesungen hat. Nur wurden wegen ihrer Art zu singen ihre Stücke oft als Blues wahrgenommen. Shaunette singt nun ‚Billie‘s Blues’, den einzigen ‚echten‘ Blues , den Billie Holiday zumal selbst komponiert hat. Das klingt, auch wegen der bluesig gespielte Gitarre ganz anders als vorher. ‚The very thought of you‘ ist zu hören, diesen Song hat Billie nur einmal aufgenommen. Bei ‚Lover come back to me’ scattet Shaunette unisono mit der Gitarre.
In weiteren Textpassagen zur Biografie berichtet Shaunette von den dunklen Seiten wie Drogensucht, Missbrauch, Scheidung, Strafverfolgung, Krankheit und Tod. Doch mit zwei Stücken aus der Swing-Zeit ‚What a little Moonlight could do‘ und ‚I could give you anything but love‘ endet das Konzert dann recht bes(ch)wingt.
Auswahl der Stücke
Billie Holiday ist eine der wichtigsten Jazz-Sängerinnen des 20. Jahrhunderts und sie verfügte über ein riesiges Repertoire. Was soll man da auswählen? Bekannte und kaum bekannte Stücke habe sie herausgesucht, erzählt mir Shaunette in der Pause. Doch auch damit bleibt noch viel Spielraum.
14 Songs hat Billie Holiday selbst geschrieben, z. T. in Zusammenarbeit mit anderen Autoren, darunter auch das bekannte ‚God Bless the Child‘, das auch an ihre eigene Kindheit erinnert. ‚Fine and Mellow’ steht für ihre schlimmen Erfahrungen mit Männern. Der 1939 umstrittene Protestsong ‚Strange Fruit‘ zeigt auch eine wichtige Seite von Billie Holiday, doch dieses Stück ist nicht zu hören. Warum? Shaunette schrieb mir später dazu:
"Ich singe nie 'Strange Fruit'. Das liegt nicht daran, dass das Lied so schwierig ist, sondern daran, dass ich es als Weißer nicht für angemessen halte, diesen Text zu singen. Europäer sehen das vielleicht anders, aber da man in den Vereinigten Staaten aufgewachsen ist, ist man sich der Rassenungleichheit und unserer beschämenden Vergangenheit sehr bewusst. Wenn ich dieses Stück singe, würde das zeigen, dass ich die Tiefe des Leidens verstehe. Ich respektiere die Botschaft in diesem Stück zu sehr, um es zu singen."
Damit hat sie sicher recht.
Viele der Songs stammen aus der Swing-Zeit, in der Billie gelebt hat. Doch vele davon sind auch von anderen Sängerinnen gesungen worden und daher nicht unbedingt so typisch für Billie Holiday wie deren eigene Kompositionen. Zum Swing passt gut das LineUp mit den Instrumenten Gitarre und Bass. Das Konzert von Shaunette zeigt, dass wir aus unserer europäischen Sicht wohl ein ganz anderes Bild von Billie Holiday haben, das nicht unbedingt der US-Realität entspricht.
Shaunette Hildabrand
Shaunette Hildabrand wurde in den USA geboren und studierte Gesang in Texas und in New York. Sie ging 1991 nach Europa und hat sich in der europäischen Jazz Szene einen Namen gemacht. Neben ihrem Engagement als Sängerin im ‚Frank Roberscheuten Hiptett‘ und dem ‚Echoes of Swing Orchester‘ gründete Shaunette ein eigenes Trio unter ihrem Namen. Sie organisiert mit Frank Oberscheuten die Jazzin’ July Workshops in den Niederlanden und die International Classis Jazz Workshops in Ascona.
DUO Marx-Machtel
Der Gitarrist Rolf Marx und der Bassist Jos Machtel fungieren im Trio nicht als Sidemen, sie sind mit vielen Soli ebenso präsent. Ihre ‚Chefin’ gibt ihnen sehr viel Spielraum, vor allem wenn die beiden in jedem Set in einer Art ‚Konzert im Konzert‘ als Duo spielen.
Rolf Marx studierte an der Kölner Musikhochschule Jazz- und Konzertgitarre und arbeitete als Gitarrist an der Deutschen Oper am Rhein und beim WDR Rundfunkorchester. In seinem eigenen Trio spielt er mit Ingmar Heller und Oliver Mewes. Oft ist er auch in den Bands von
Chris Hopkins
zu finden.
Der Niederländer Jos Machtel ist Professor für Bass an der Luca School of Arts in Louvain in Belgien. Er spielt auch Posaune und Tuba. Er hat in vielen Bands gespielt und auch im Ausland Bass unterrichtet.
‚It might as well be spring‘ und den deutschen Klassiker ‚Bei dir war es immer so schön‘ von Theo Mackeben spielen die beiden als Bossa. Rolf Marx legt auf der Konzertgitarre beim fingerpicking eine erstaunliche Fertigkeit an den Tag. Die beiden solieren und begleiten sich abwechselnd. Jos Machtel zupft behutsam zur Begleitung, legt aber auch lange kraftvolle Soli hin und setzt auch den Bogen ein, z. B. bei ‚Laverne Walk’ von Oscar Pettiford.
Im Dezember ist Shaunette wieder bei dem jährlich stattfindenden Event ‚Swinging Christmas‘ von Chris Hopkins in Köln und in Bochum zu erleben.