Bild für Beitrag: Jazzin' July Workshop-Woche | Ein Hotel voller Musik
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Jazzin' July Workshop-Woche

Ein Hotel voller Musik

Eindhoven, 05.07.2024
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert

Ein Hotel voller Musik

Jazzin' July findet im Hotel ‚Jagershorst‘ statt, südlich von Eindhoven. Es steht fast komplett für die Jazzwoche zur Verfügung und verfügt über viele Tagungsräume. Schöne Zimmer, freundliches Personal und Rundum-Verpflegung bilden einen angenehmen Rahmen für diese 6 Tage. Dazu kommen die direkte Nähe zu einem großen Naturschutzgebiet, die luxuriöse Ausstattung mit Pool, Fitnessstudio und mehr. Doch dazu kommt man kaum, denn alles dreht sich um die Musik. Stücke, Akkorde und Sessions sind immer Gesprächsthema, selbst auf den Hotelfluren hört man oft, wie in manchen Zimmern geübt wird.
Shaunette Hildabrand und Frank Roberscheuten leiten die Veranstaltung. In einem Interview erzählen sie, dass diese Workshop-Woche schon seit 2010 in jedem Jahr läuft. Viele Dozenten (s. Liste unten) sind schon lange dabei, weil sie sehr zufrieden sind und viel Freude an der Arbeit haben. Das Konzept dieser Jazz-Woche hat sich immer weiter entwickelt und ist wegen des großen Erfolgs inzwischen von anderen Anbietern kopiert worden.

Die Gruppe

Ich bin zum ersten Mal dabei gewesen und habe gleich gemerkt, dass sich viele der ca. 50 TeilnehmerInnen (im folgenden: TN) schon kennen, weil sie oft diese Veranstaltung besucht haben. Doch auch Neuankömmlinge werden freundlich angesprochen. Natürlich sind alle sofort beim ‚Du’ und in den verschiedenen Gruppen lernt man schnell viele TN kennen. Klar dass einige aus den Niederlanden dabei sind, doch sogar aus der Schweiz sind einige gekommen, wie man gleich an ihrem Dialekt hört. Die meisten sind Deutsche, die nicht nur aus dem nahegelegenen NRW, sondern auch aus anderen Regionen kommen.
Frauen haben im Jazz oft noch Seltenheitswert, umso erstaunlicher ist es, dass viele TN weiblich sind. Sie sind nicht nur im für Frauen klassischen Gesangsfach zu finden, sondern spielen auch Klavier, Saxofon, Trompete und Schlagzeug. Der älteste TN ist 88 Jahre alt.
Veronika z. B. ist schon seit 10 Jahren dabei. Sie spielt Trompete und tritt bei der Jam Session am Abend zusammen mit einem Klarinettisten auf, ‚Crazy Goldies‘ nennt sich die Band. Veronika kommt aus Bayern und hat bei Heinz Saurer spielen gelernt. Sie wünscht sich, dass mehr Blechbläser dabei wären.

Alexa ist zum ersten Mal dabei und schätzt das Engagement der DozentInnen, die ihre 'Schüler' unterstützen und offenbar selbst Freude an ihrer Tätigkeit haben. Außerdem lobt sie die Möglichkeit, bis tief in die Nacht mit den anderen jammen zu können. Das sei in anderen Workshops nicht möglich ohne die Location zu wechseln. Das tagelange Zusammensein und miteinander Spielen fördere ein Gemeinschaftsgefühl, das auch den Lernerfolg begünstigt.

Ingrid meint: "Die Crew muss Nerven aus Stahl haben. Die Dozentin und die Dozenten sind stark gefordert, aber jedes Jahr schaffen sie es wieder, dass jede und jeder etwas mitnimmt, profitiert, sich entwickelt und auch noch Spaß hat." Sie hat zu der Woche eine kleine Geschichte geschrieben. Auszüge sind am Ende dieses Artikels zu lesen.

Struktur und Ablauf der Woche

Der Ablauf der Woche ist sehr gut durchdacht und durchorganisiert. Beim ersten Meeting am Montagabend erhält jeder TN einen individuellen Zeitplan für die ganze Woche. So nimmt jeder TN an jedem Tag an 3 unterschiedlichen Gruppen teil.
Morgens geht es um das Instrument, zu dem spezielle Gruppen tagen (Saxofon, Trompete, Klarinette, Posaune, Schlagzeug, Piano, Gitarre, Akkordeon, Gesang, Bass).
Nach dem Mittagessen spielen feste Bands in gleichbleibender Konstellation mit Anleitung. Um 19 Uhr finden ‚betreute Jamsessions‘ in wechselnder Zusammensetzung statt. Hier können gerade die TN, die sich noch nicht so recht trauen, in einer Art geschütztem Rahmen Erfahrungen sammeln. Danach ab halb 11 ‚Open Jam Session’, hierzu können sich Bands zusammenfinden und ohne Vorgaben auftreten, das kann bis nachts um halb 1 dauern. Oder länger. Am Ende der Woche stellen die Bands ihre Stücke vor.

Jazztheorie - "It's easy if you know how"

Auch Jazztheorie kommt nicht zu kurz. Frank Roberscheuten erzählt z. B. anhand des Stücks ‚At the Jazzband Ball‘ von der Geschichte des New Orleans Jazz und erklärt u. a., warum die Posaune ‚Tailgate‘ genannt wurde. Ausführlich und sehr konkret anhand einzelner Takte erklärt er die Funktion eines Leadsheets und den Umgang mit Akkorden, immer verbunden mit Übungen am eigenen Instrument. Auch in den Instrumentalkursen am Vormittag geht es um Jazztheorie, z. B. um die Entwicklung von Guide Lines anhand von Terzen und Septimen, und immer wieder wird dies umgesetzt anhand von Lead Sheets, die die TN schon lange vorher per email erhalten haben. "Its easy if you know how", zitiert Chris Hopkins den berühmten Fats Waller. Das soll nicht bedeuten, dass alles ganz einfach ist, sondern dass man wegen der mathematischen Struktur der Musik vieles lernen kann.

„Jeder hat einen Platz!“

Bin ich hier richtig? Reichen meine Fähigkeiten aus, um mithalten zu können? Das mag sich mancher, der zum ersten Mal dabei ist, vorher fragen.
„Jeder hat einen Platz!“ sagt Shaunette Hildabrand auf meine Frage, was diese Jazzwoche so besonders macht. Und es stimmt, denn jeder TN ist unabhängig von seinem Spielniveau willkommen. Natürlich sollte man sein Instrument beherrschen, doch wie gut man spielen und improvisieren kann, spielt keine Rolle. Wie kann das gehen?
„Jeder nimmt Werkzeuge im Koffer mit, die im Verlauf des Lebens gebrauchen kann“, erklärt Chris Hopkins dazu. Obwohl nicht alle TN ihr Instrument gleich gut beherrschen, kann jeder aus der Fülle der Anregungen, Ratschläge und Erfahrungen das mitnehmen, was für ihn wichtig ist und später damit weiterarbeiten.
Den GruppenleiterInnen gelingt es sehr gut mit den unterschiedlichen Niveaus umzugehen, die Arrangements an die einzelnen TN anzupassen und die Rollen in der Band sinnvoll zu verteilen. Die dafür erforderliche pädagogische Qualifikation erwirbt man nicht automatisch mit einem Musikstudium. Doch das Leitungsteam hat langjährige Erfahrungen, auch durch die Arbeit an Musik-Hochschulen. Es ist wirklich vorbildlich, wie die Dozenten sehr geduldig und zugewandt die TN ansprechen, wie sie positive Rückmeldung auch für kleine Fortschritte geben und Kritik sehr freundlich und konstruktiv gestalten.

Nicht Leistungsdruck, nicht ‚der erste und beste sein wollen‘ ist hier gefragt. Spielfreude, Offenheit und gegenseitiger Respekt sind hier wichtig und bilden die Grundlage dieser Woche. Dies ist nicht nur ein Kompliment an die DozentInnen, sondern auch an die vielen TeilnehmerInnen. Vielen Dank, dass ich dabei sein konnte!

DozentInnen
Colin Dawson, GB, Trumpet
Engelbert Wrobel, G, Clarinet
Frank Roberscheuten, NL, Saxophone/Clarinet
Chris Hopkins , G, Saxophone/Trombone
Bernd Lhotzky, G, Piano
Stan Laferièrre, F, Drums/Guitar
Shaunette Hildabrand, USA, Vocals
Henning Gailing, D, Bass

Auch im nächsten Jahr findet wieder Jazzin' July statt vom 7.-13. Juli 25, wieder im Hotel Jagershorst mit denselben Dozenten.
https://frankroberscheuten.com/workshops

http://www.shaunettehildabrand.com/jazzin-july/

Ingrid Paur (s.o.) schreibt über den fiktiven Workshopteilnehmer Max:
"Tag 1
Der Wecker klingelt um 7 Uhr. Max Musikfan springt elastisch aus dem Bett, hinein in die Laufklamotten und raus. 60 Minuten zügiges Laufen, Stretching, dabei Repetition der Harmonien der 5 aufgegebenen Stücke. Geht doch. Federnd betritt Max den Speisesaal, „Mooorgen“, Joghurt mit Früchten, grüner Tee. Im Kopf Repetition der 5 Stücke und der wichtigsten Fakten aus dem Musiktheoriebuch. Dusche, 10 Minuten vor der Zeit im Übungsraum, im Kopf Repetition…..eben. Max Musikfan findet, dass die Kollegen ganz schöne Weicheier sind. Keiner da, endlich schleichendes Eintreffen der Kursteilnehme, keiner möchte die Harmonik von Coltrane mit ihm diskutieren-also! Vielleicht ist er hier unterfordert…
Max ist es sehr wichtig, sich respektvoll in anderen Ländern zu bewegen. Natürlich, er ist Deutscher, ein Privileg, aber das lässt er sich höflicherweise nicht anmerken. Er interessiert sich sehr für Fremdsprachen. ...
Tag 3
Die Romantik - Wunderschön. Die Sängerin singt mit ihrer warmen Stimme „La vie en rose“, begleitet nur vom Akkordeon. Selbst der hartgesottenste Dozent wischt sich heimlich eine Träne aus dem Augenwinkel. Auch Max ist bewegt. ...
Tag 7
Der Wecker klingelt um 9.55. ... Seine Zunge ist trocken, er hat geträumt, dass er drei der berüchtigten holländischen Kroketten auf einmal in den Mund gestopft hat. Das Hämmern in seinem Schädel erinnert ihn an das exzessive Schlagzeugsolo des Drummers in der letzten Jamsession. Die Bandarrangements findet er zerknüllt unter seinem rechten Schuh. ....
Frühstück: zwei dicke Scheiben holländische Weißbrot mit seiner ganz besonders labberigen Konsistenz, Marmelade. Viel Marmelade. Pfannkuchen mit Ahornsirup. 2 Aspirin. Was zum Teufel war mit diesem Rooibostee los gewesen, den die Kollegen ihm irgendwann am späten Abend angeboten hatten? Im Kopf Repetition der Namen seiner Kinder (geht nicht gut). Schleichende Fortbewegung zum Proberaum. Alles ist so laut….Im Kopf Repetition von Name und Adresse…wie heißt die Katze nochmal? Jetzt fällt ihm wieder ein, dass die niederländischen Kumpel ihn tüchtig ausgelacht haben wegene dieses Roibushtees - das war wohl gar kein Tee....
Aber nächstes Jahr kommt er wieder!"

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