Ehrliche Botschaften eines Besessenen
Caroll Vanwelden bei FineArtJazz
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Bernd Zimmermann, Ingo Marmulla
Auf hohem Energielevel musizierten Caroll Vanwelden und ihre Band das Repertoire ihres neuen Albums, das sie zum zweiten Mal ganz ins Zeichen des englischen Dichters William Shakespeare gestellt hat. Die Vorarbeit der Belgierin für dieses Projekt sei nach eigenen Bekunden immens gewesen: Es sei ein komplexer Prozess, die Verse der Sonette in modernes Songwriting zu „übersetzen“.
Am Ende wirken die neuen Songs, die sie und ihre Band bei diesem Vorab-Konzert zur baldigen CD-Veröffentlichung hier präsentieren, voll und ganz aus dem heute kommend.
Ruhelos bis stürmisch pulsiert Caroll Vanweldens eigenes Klavierspiel ,getreu dem Sprachrhythmus der Sonette, welche der Literaturwissenschaftler als „jambische Pentameter“ bezeichnet. Caroll Vanwelden hat ganz viel druckvollen Soul in ihrer Gesangsstimme und macht damit die Botschaften dieser „ewigen“ literarischen Schätze auch ohne exaktes Textverständnis fühlbar. Schonungslos direkt und gerne auch tabulos geht es hier immer wieder in die vollen: Liebe in allen wilden und freien Ausprägungen. Schönheit, die einen um den Verstand bringt und im Lauf der Zeit so vergänglich ist, sind Shakespeares urpersönliche Themen – dieser große Menschheitsdichter zeigt sich hier als ein Besessener in vielfachem Sinne.
Wo Caroll Vanweldens gesungene Worte enden, macht Trompeter Thomas Siffing mit flammenden Parts weiter und die Rhythmusgruppe lässt es auf Lüttinghof_Die Burg im Wasser, die sich so ganz nebenbei zum Mekka ausdrucksvoller Jazzkonzerte entwickelt, auf hohem Energielevel swingen und manchmal auch rocken - was in diesem kleinen Kammermusiksaal aber manchmal schon zu viel des guten ist, wo noch mehr sensible Reduzierung für noch mehr packende Momente gut wären. Stilistisch werden dabei die Gefilde von dynamischen Jazz-Arrangements, Pop und manchmal auch Latin souverän durchdrungen. Bassist Mini Schulz komplettiert Caroll Vanweldens Singstimme oft untenrum, Schlagzeuger Rodrigo Villalon sorgt mit variantenreicher Rhytmusarbeit dafür, dass ständig die Luft brennt – gipfelnd später in einer Solokadenz für die Triangel- die an diesem Abend einmal mehr für jubelnden Szenenapplaus sorgt.
„Shakespeare war eigentlich auch ein Jazzer“ – sagt Caroll Vanwelden und meint damit vor allem die Mischung aus Fantasie und revoluzzerhaftem Freigeist gepaart mit einer hohen Musikalität in Shakespeares Sprache. Die Belgierin ist von den 154 Sonetten regelrecht infiziert worden – und hat aus ihnen zeitgemäße Songs geschaffen!
In der Rubrik Jazzreports steht, was Caroll Vanwelden im Aftershow-Gespräch (Talk nach dem Gig) über die Herausforderungen bei diesem Unterfangen verriet.
CD-Tipp:
Albums Caroll Vanwelden sings Shakespeare Sonnets 2 (JAZZNARTS RECORDS)