BERND WOLF & FRIENDS FEAT. ILONA HABERKAMP
Hommage an Paul Desmond in Blankenstein
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Paul Desmond, der legendäre Cool-Jazz-Komponist und Altsaxophonist, wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Als Hommage an ihn fand am 8. November bei ‚Forstmanns‘ in Blankenstein ein Konzert statt, Bernd Johannes Wolf hatte dazu die Saxophonistin Ilona Haberkamp eingeladen.
‚Forstmanns‘ - Kulturzentrum in Blankenstein
'Forstmanns‘ ist ein kleines Kulturzentrum in Blankenstein, am Marktplatz ganz in der Nähe der Burg. Dort finden regelmäßig Konzerte aller Stilrichtungen statt. Der Name ist auf eine ehemalige Gastwirtschaft zurückzuführen, in der auch kulturelle Veranstaltungen stattfanden. Der Verein ArteMedis e. V. hat an dieser Stelle vor 5 Jahren die Spielstätte gegründet. Mit großem Erfolg, denn auch heute ist kein Platz leer geblieben.
Nun ist es schon um sechs stockdunkel, die Leute strömen in den recht kleinen hellen Raum, viele kennen sich, es herrscht eine erwartungsvolle, fast heitere Atmosphäre. Mikros und Lautsprecherboxen sind nicht auszumachen, die Band spielt rein akustisch und steht ebenerdig direkt vor dem Publikum.
Nicht nur Take 5
Kaum hat das Konzert mit ‚Any other time‘ begonnen, schon füllt der melodiöse Klang des Altsaxofons den Raum. Nicht zufällig klingt das gleich nach Paul Desmond, der schon immer das Vorbild von
Ilona Haberkamp
war.
Sie informiert bei ihrer humorvollen Moderation laufend über Desmonds Person und dessen Musik. Vielen ist er vor allem als Saxofonist des Brubeck-Quartetts bekannt, doch er spielte auch in eigenen Bands und hat selbst komponiert.
Heute Abend steht diese weniger bekannte Seite von Paul Desmond im Vordergrund. ‚Samba Cantina’, ‚Desmond Blue‘ und ‚Easy Living‘ sind zu hören. 'Joana’s Waltz' hat Frank Wunsch komponiert, der auch bei Ilonas Album ‚I Remember Paul“ dabei war.
Ganz anders ‚Armenian Blue‘; dieses Stück bildet einen deutlichen Kontrast, Ilona selbst hat es nach einer Reise nach Armenien komponiert. Auf ihrem Sopransaxofon kommen die orientalischen Klänge besser zur Geltung als auf dem Alt. Doch aus der leicht melancholischen Melodie entwickelt sich schon bald eine sehr rhythmische Improvisation. Mark Cahill spielt dazu nicht mit Sticks, sondern mit Schlegeln, dumpf klingen die Drums, wie Pauken. Ein von allen getragenes Crescendo führt zum Outro, das auf einem langen Ton des Klaviers ausklingt. Großer Applaus.
Bernd Johannes Wolf gibt oft Infos zu einzelnen Stücken wie zu ‚All the Things You Are‘, das in einer „teilweise barockisierten Version“ (Zitat) und nach Jutta Hipps Arrangement gespielt wird. ‚Deep Blue’ ist seine eigene Komposition, die er zu einem Konzert zum Thema ‚Schach‘ geschrieben hat. „Es C H A C H“ hat er das Thema musikalisch buchstabiert, dies ist typischer moderner Jazz, hier mit einer Frage-Antwort-Passage von Drums und Saxofon.
‚Audrey‘ hat Desmond komponiert, erfahren wir, als er in Audrey Hepburn verliebt war. ‚Body and Soul’ ist eigentlich durch Coleman Hawkins auf dem Tenorsax bekannt geworden, doch auch Desmond hat es gespielt, 1959 mit Gerry Mulligan.
Immer wieder sind exzellente, oft längere Improvisationen zu hören, die beim Klavier und beim Bass sofort erkennbar sind. Ilonas Altsaxofon setzt meist mit der Melodie ein, ihre Improvisationen scheinen komponiert zu sein, denn sie klingen sehr melodisch, volltönend, warm; doch es sind Improvisationen. Die Übergänge zwischen den Improvisationen laufen fast unbemerkt wie am Schnürchen, obwohl die Band in diesem LineUp noch gar nicht oft zusammengespielt hat.
‚Take Five’ ist das letzte Stück, darauf haben alle gewartet und sie bedanken sich mit einem Riesenapplaus, der – wie könnte es anders sein – zu einer klangvollen Zugabe führt: Greensleeves.
„Mit wievielen spielt ihr in eurem Quartett?“
Diese Frage, hören wir, wurde Paul Desmond einmal gestellt. Das heutige Quartett mit Ilona, Bernd Johannes Wolf, Jona Kümper und Mark Cahill ist eine Projektband, die für das Konzert zusammengekommen ist.
Bernd Johannes Wolf hat in der Hattinger Musikszene einen Namen. Auch für klassische Musik, denn er ist Mitglied der „Rhein-Ruhr Philharmonie“ und einer der ständigen Dirigenten des 2003 von ihm mitbegründeten Kreissinfonieorchesters des Ennepe-Ruhr Kreises. Er spielt Kontrabass und Gitarre und hat als Komponist zahlreiche Stücke für verschiedenste Besetzungen verfasst. Seine im vergangenen Jahr uraufgeführte Kammeroper "Des Bösen gelbe Schwefellichter" hat er als musikalischen Stolperstein geschrieben, am Beispiel der Stadt Hattingen zum Gedenken an die Pogromnacht 1938. Er ist auch Mitglied der ,Lehrer Big Band NRW'. Den Drummer Mark Cahill, der kurzfristig für den erkrankten Achim Bräuer eingesprungen ist, lernte er im Zusammenspiel in der Big Band 'Bandfire' kennen.
Ilona Haberkamp
hat im Ruhrgebiet Musikwissenschaft und Saxophon studiert und spielt seitdem Altsaxofon in verschiedenen Orchestern und Bands. Lange hat sie sich intensiv mit der Geschichte von Jutta Hipp befasst und gilt als Autorin des Buchs ‚Plötzlich Hip(p)‘ als Expertin auf diesem Gebiet. 2008 veröffentliche sie u. a. mit Ack van Rooyen das Album ‚I Remember Paul“ zu Ehren Desmonds.
Jona Kümper lebt als freischaffender Pianist und Komponist in Bochum und lehrt an der TU Dortmund. Er komponiert und spielt vor allem Neue Musik, ist aber auch als Jazzpianist tätig. Seine Komposition "punctum contra punctum" wurde zur Aufführung durch das Kammerorchester Basel im Rahmen des Basel Composition Competition 2025 ausgewählt.
Hinten im Raum steht ‚Take Five‘, eine kubische Skulptur (s. Foto unten) von Hans Winkler aus Ahlen, in der ein Tenorsaxofon verborgen ist, das mit Bogen und Schalltrichter herausragt. Aus einem eingebauten Lautsprecher kann man das berühmte Stück abspielen.
Paul Desmond hat sehr oft mit dem Gitarristen Jim Hall zusammengespielt. Da Bernd Johannes Wolf auch ein guter Gitarrist ist, wäre das auch eine Option gewesen? Vielleicht ein anderes Mal.
Band – Musik - Publikum – Location. Dies war ein rundherum rundes Konzert, bei dem alles stimmte. Weitere Jazz Konzerte vonm dieser Band und an dieser Stelle wären ein Gewinn für die Region!
Termine:
Am 20.12. spielt Ilona beim Pro Jazz Konzert mit dem Saxophon Quartett ‚Lilith+‘ mit dem Schlagzeuger Benny Mokross im Dortmunder Domicil.
Im Rahmen von 'Celloherbst' spielt das Ilona Haberkamp Quartett unter dem Motto '100 Jahre Paul Desmond – 100 Jahre Take Five' am 26.12. im Emil Schumacher Museum Hagen, am 27.12.2024 im Hof Bellevue Unna und am 28.12.2024 in Haus Siekmann Sendenhorst.
Am 7. Februar 2025 findet in der Romanfabrik Frankfurt eine Lesung mit
Ilona Haberkamp
statt: "Plötzlich Hip(p)" Musik:
Ilona Haberkamp
- Altsaxophon,
Jona Kümper - Klavier, Bernd Wolf - Kontrabass
https://ilonahaberkamp.de/
https://www.bernd-johannes-wolf.de
https://artemedis.ruhr/forstmanns/
https://www.jona-kuemper.de/