'Take Five'
Tribute to the Master Quartet of Dave Brubeck
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Am 27. Oktober an einem Sonntag Mittag fand in einer gut bürgerlichen Gaststätte in Dorsten ein Jazz Frühschoppen statt. In diesem eher ungewöhnlichen Ambiente spielte nicht etwa eine traditionelle Dixieland Kapelle, sondern eine hochvirtuose Jazzband unter dem Motto ‚Tribute to the Master Quartet of Dave Brubeck „Take Five“‘.
Die Stadt Dorsten hat dieses Konzert im Rahmen der Reihe ‚Reihe Jazz and more‘ organisiert und gut 100 Leute sind gekommen, so viele, dass nicht alle einen Sitzplatz finden. Das Publikum ist im besten Jazz-Alter zwischen 50 und 80 Jahren.
Take 5 – Dave Brubeck – Paul Desmond
Frank Roberscheuten erzählt in seiner Moderation immer wieder von der Geschichte des berühmten Quartetts, von einzelnen Musikern und Stücken. Außer dem Pianisten gehörten zum Dave Brubeck Quartet der Altsaxofonist Paul Desmond, der Drummer Joe Morello und der Bassist Eugene Wright. ‚Cool Jazz’ war damals angesagt, auch ‚Westcoast‘ genannt, während an der Eastcoast Hardbop dominierte.
Frank Roberscheuten informiert auch über das vor 65 Jahren erschienene Album ‚Time Out‘ und über die Skepsis der Plattenfirma, die es erst gar nicht herausbringen wollte, weil fast alle Stücke in ungeraden Taktzahlen komponiert sind.
Paul Desmond hätte im November seinen 100. Geburtstag feiern können, doch er starb schon frühzeitig mit 52 Jahren. Auch die Rassendiskriminierung ist Thema, denn Brubeck hat sich oft geweigert, bei Konzerten den schwarzen Bassisten Eugene Wright durch einen weißen Musiker zu ersetzen. Viele weitere Informationen werden zwischen den Stücken gegeben wie zum Einfluss Darius Milhauds und zum schwierigen Verhältnis zwischen Brubeck und Desmond.
‚Take Five‘ and more - „Wir spielen wie wir sind.“
Mit dem berühmten Stück im 5/4 Takt beginnt das Konzert und schon ertönt ein gewaltiger Beifall. Die Band lässt viel Spielfreude erkennen und vermittelt ein Gefühl von Leichtigkeit und Lebensfreude, das sich auf das Publikum überträgt. Die Band spielt rein akustisch, ohne Verstärker.
Bei ‚When Joanna loved Me‘, einer Komposition von Desmond, kommt Frank dem Original sehr nah, doch das ist gar nicht beabsichtigt. Das Konzert steht zwar unter dem Motto ‚Tribute to the Master Quartet of Dave Brubeck‘ und benutzt keine neuen Arrangements, doch das bedeutet nicht, dass die Band die Musik des berühmten Quartetts imitiert. Frank Roberscheuten betont, dass man diese Musik gar nicht imitieren kann, und er will das auch gar nicht, da die Band ihren eigenen Stil habe:„Wir spielen wie wir sind.“
Mit Frank Roberscheuten steht in seiner Funktion als Bandleader, Moderator und Altsaxofonist auch die Person von Paul Desmond im Mittelpunkt. Doch er und Rossano Sportiello bilden die Achse der Band, von der die wichtigen Impulse ausgehen. Bei ‚Somebody loves Me‘ spielen sie mal parallel, mal im Wechsel, begleitet vom Drums- und Bassgroove. Rossano Sportiello spielt nicht nur markige Blockakkorde wie wir sie von Brubeck kennen. Er ist vielmehr in vielen Stilen unterwegs, die er abwechselnd einfließen lässt, mit vielen Soli z. B. bei ‚The Duke‘. Zu ‚Strike Up the Band‘ spielt Dominik Raab ein diffiziles Schlagzeugsolo mit leisen Passagen mit Jazzbesen.
Im zweiten Set wirkt die Band noch etwas quirliger, nicht zuletzt weil der Drummer sich nun mit Breaks und Soli stärker einbringt, vielleicht ganz im Sinne Joe Morellos, der sich in Brubecks Band einen besonderen Freiraum verschafft hatte.
Edwin Corzilius beeindruckt neben seinem musikalischen Können auch durch sein Alter und durch seinen 200 Jahre alten Kontrabass. Mit vielen melodiösen Soli, z. B. bei ‚Pennies from Heaven‘, prägt er nicht nur rhythmisch, sondern auch melodisch mit gefühlt ‚runden‘ Tönen den Sound der Band.
‚Three to Get Ready and Four to To Go‘ ist ein ganz besonderes Stück, weil darin ¾- und 4/4-Takte wechseln. Frank ermuntert das Publikum, bei der komplizierten Taktfolge dieses Stücks (Album ‚Time Out‘) mitzuzählen. Danach erhebt sich ein Riesenbeifall, hier spielen wirklich die Meister ihres Fachs.
- Im Video die Band 2 Tage später in Eindhoven -
Das aktuelle Quartett
Frank Roberscheuten ist ein ‚alter Hase‘ des europäischen Jazz. Er erhielt 2016 die Auszeichnung ‚Keeper Of The Flame‘ für seinen 40jährigen Einsatz für den traditionellen Jazz in Europa. Er ist auch ‚musical director‘ der beiden jährlich stattfindenden Workshops ‚International Classic Jazz Workshop‘ (Ascona CH) und Jazz’n July (Eindhoven NL).
Der italienische Pianist Rossano Sportiello kommt aus Milano, lebt aber schon lange in New York. Für sein Soloalbum ‚Piano On My Mind‘ (2005) erhielt den ‚Prix du Jazz Classique der Académie du Jazz‘
Im letzten Juni haben die beiden zusammen mit Martin Breinschmid als ‚Three Wise Men‘ ein Konzert im Bochumer Museum gegeben, bei dem sie Stücke aus der europäischen Musiktradition spielten.
Edwin Corzilius kommt aus Amsterdam und ist in den Nioederlanden ein anerkannter Bassist.
Der vergleichsweise junge Kölner Schlagzeuger Dominik Raab ersetzt kurzfristig Frits Landesbergen an den Drums. Das könnte wegen der vielen ungeraden Takte eine Herausforderung bedeuten, die er jedoch souverän meistert. Außerdem hat er die für Drummer eher ungewöhnliche Gabe, so leise spielen zu können, dass man die ganze Band gut hört, auch wenn man direkt neben den Drums sitzt
Das Dorstener Publikum erweist sich als sehr kompetent. Es weiß die Leistung der Band zu würdigen und applaudiert nach jedem Solo und natürlich besonders am Ende dieses außergewöhnlichen Konzerts, das mit ‚Blue Rondo a la Turk‘ endet.