Wuppertal Jazz Workshop in Düsseldorf und Wuppertal
Energetisches Powerplay mit „jazziger“ Note
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker, Uwe Bräutigam | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker, Uwe Bräutigam
Uwe Bräutigam: Jazz Schmiede Düsseldorf/Fotos linke Spalte
Peter Brötzmann bläst sein Tenorsaxophon bereits während er auf die Bühne kommt, kräftig und laut, sein Markenzeichen. Wolfgang Schmidtke kommt mit seinem Saxophon nach einiger Zeit dazu. Brötzmann und Schmidtke bilden eine wuchtige Holzbläserformation, die aber durchaus sehr nuanciert spielt. Schon die unterschiedlichen Blasinstrumente zeugen davon. Schmidtke spielt Tenor-und Sopransaxophon und Bassklarinette und Brötzmann spielt neben dem Tenor - und Sopraninosaxophon auch Tárogató, das ungarische Nationalinstrument, das äußerlich an eine Klarinette erinnert, aber ein hölzernes Saxophon ist und einen weichen Klang hat. Neben seinen langen und schnellen Soli mit Hilfe der Zirkularatmung, spielt er auch lyrische Passagen, wenngleich die Free Jazz Energie dominiert. Peter Weiss , der von Hause aus kein lauter Schlagzeuger ist, langt an diesem Abend manchmal auch ganz kräftig hin. Soli spielt er überhaupt keine, sondern gibt der Gruppe zusammen mit Dieter Manderscheid am Bass das rhythmische Gerüst, auf dem sich die Bläser austoben.
Roman Babic am Piano ist mit Abstand der jüngste in der Band. Im zweiten Set spielt er ein wildes Solo, mit harten Akkordfolgen und Cluster Anschlägen und zeigt, dass er den alten Free Jazzern in nichts nachsteht. Leider ist er, besonders wenn alle Bandmitglieder spielen, meist zu leise. Während Peter Weiss und Wolfgang Schmidtke seit vielen Jahren im Jazzpool NRW zusammenspielen und Schmidtke und Brötzmann aus Wuppertaler Free Jazz Szene kommen, scheint Dieter Manderscheid hier ein Außenseiter zu sein. Aber als erfahrener und virtuoser Bassspieler fügt er sich hervorragend in die Band ein und gibt wichtige Impulse. Er arbeitet teilweise mit Präparationen und bei einer besonders rauen Passage bearbeitet er seine Basssaiten mit einem geriffelten Holz.
Die Zuhörer in der Jazz Schmiede erleben freies Spiel auf Free Jazz typischem hohen Energielevel. Sicher entsteht nicht mehr die Aufbruchstimmung der 60er, aber es macht Spaß die temperamentvollen Improvisationen zu hören.
Die Band macht keinerlei Ansagen, mit Ausnahme der Vorstellung der Bandmitglieder, spielt gut, bedankt sich für den reichlichen Beifall mit einer Zugabe und verlässt dann schnell die Bühne der Jazz Schmiede.
Heinrich Brinkmöller-Becker: Café Ada Wuppertal/Fotos rechte Spalte
Das ist ein echtes Heimspiel: Wenn internationale Größen des Jazz aus Wuppertal just dort einen Auftritt haben, ist ein volles Haus garantiert. So geschehen mit den Bläsern Peter Brötzmann, Wolfgang Schmidtke und dem Pianisten Roman Babik , die gemeinsam mit ihren rheinischen Kollegen Dieter Manderscheid am Kontrabass und dem Drummer Peter Weiss ihre neue Formation wuppertal Jazz workshop präsentieren. Diese hatte bereits einen Auftritt in Berlin – mit Alexander von Schlippenbach am Klavier - , dann am letzten Freitag in der prall gefüllten Düsseldorfer Jazz Schmiede, deren Vorsitzender Peter Weiss ist.
Bei dem dritten Auftritt des Quintetts jetzt in der europäischen Keimzelle und bis heute Heimat des Free Jazz erlebt das Publikum im Café Ada einen wahrhaftigen Orkan der kraftstrotzenden Improvisation. Bereits der Beginn des Konzerts gibt mit Brötzmann und Schmidtke das Signal für „volle Kraft voraus“: ein Blasgewitter der beiden Saxophonisten für ein lang andauerndes hochexpressives, -energetisches und –explosives Rufen, Schreien, Exklamieren auf ihrem Tenorsax, was den Abend in ihren Dialogen und ihren Soloeinlagen auf unterschiedlichen Instrumenten (Klarinetten, Sopransax, Tarogato) mehr oder weniger anhält. „Getragen“ wird dieses Fortissimo durch eine hervorragende Rhythmusgruppe: Peter Weiss und Dieter Manderscheid unterstützen die Blasberserker mit einem raffiniert pulsierenden Vorwärtstreiben, gemeinsam mit Roman Babik setzen sie subtile Farbtupfer, die der Gesamtsession einen willkommenen „jazzigen“ Anstrich verleihen. Interessant, wie häufig bei Brötzmann-Konzerten diese Aussage für die Begleitung zutrifft (s. nrwjazz-Review des Konzerts zum 75. Geburtstages von Brötzmann ebenfalls im Café Ada). Dies gilt vor allem für den zweiten Teil des Konzertes, bei dem durchaus harmonische und bluesige Elemente auszumachen sind.
Ein wenig kann man da den Jungpianisten bedauern: In dem Tutti geht sein filigranes Spiel leider nur allzu sehr akustisch unter, „Gebt dem Mann am Klavier eine Verstärkung“, vielleicht auch ein besseres Instrument, wünschte man sich als geneigter Zuhörer. Seine bisherige Anerkennung durch verschiedene Förderpreise verdient er zurecht, erweist er sich in der Riege der gestandenen Altmeister der Improvisation diesen als durchaus ebenbürtig. Überhaupt überzeugen in dem Fluss der Improvisation die Stromschnellen der wechselnden kleineren Besetzung vom Quartett bis zum Duett, auf die wiederum das Powerplay des gesamten wJw folgt. Häufig erinnert das Duett der beiden Bläser an die legendären battle of saxes, auch wenn sie diesen mit ihrem gesamten Arsenal an Blasinstrumenten austragen. Ein Gewinner dieses spielerischen Kräftemessens ist außer dem Publikum nicht auszumachen. Das Klischee von „glänzend aufspielenden“ Musikern trifft hier auf das gesamte Ensemble zu, wobei Wolfgang Schmidtke mit seinen tänzelnden Bewegungen der gesamten Performance noch zusätzlich eine theatralische Note gibt.