Die jüdische Kultur hat ihn geprägt
Interview mit Ohad Talmor
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Für seinen Blue Monday lädt der Gitarrist Axel Fischbacher immer wechselnde Musiker ein. Das Konzert am 9. März 2015 war da eine Ausnahme. Die Band, bestehend aus Axel Fischbacher (g), Ohad Talmur (ts), Martin Gjakonowski (b) und Adam Nussbaum (dr), hat ein gemeinsames Album aufgenommen mit dem Titel „Normal“ (siehe Rezensionen) und tourt im Rahmen der „Jüdischen Kulturtage im Rheinland“. Sie präsentieren das ganze Album auf ihren Gigs. Das Publikum ist begeistert vom Zusammenspiel der Musiker, die immer neue Feinheiten aus den Stücken zum Vorschein bringen. Die Konzerte sind nicht einfach nur eine CD Präsentation, sondern jeweils ein ganz eigenständiges Stück Jazz. Nach dem wunderbaren Konzert in Hilden habe ich Gelegenheit mit dem Saxophonisten Ohad Talmor zu sprechen.
Der heutige Gig in Hilden war dein viertes Konzert mit dem neuen Axel Fischbacher Trio. In dieser Besetzung habt ihr vorher noch nie zusammengespielt. Wie sind deine ersten Eindrücke?
Wir haben in New York gemeinsam das Album „Normal“ aufgenommen und touren jetzt zum ersten Mal zusammen. Diese Auftritte sind für uns Gelegenheiten tiefer in unser Repertoire einzudringen. So passieren jeden Abend neue Dinge auf der Bühne. Es öffnen sich Fenster zu den wunderbaren Kompositionen von Axel Fischbacher . Es ist fantastisch, mit solchen guten Musikern, wie dem Bassisten Martin Gjakonowski zusammenzuspielen.
Wie bist du mit Axel Fischbacher in Kontakt gekommen?
Adam Nussbaum hat mich Axel empfohlen. Mit Adam mache eine Menge Sachen gemeinsam. Wir haben z.B. ein Trio mit Steve Swallow. Im Laufe der Jahre habe ich mit Adam in den verschiedensten Formationen zusammen gespielt, wir haben auch schon als Duo zusammen gearbeitet.
Ohad, du hast einen Jazzclub das “Seeds“ in Brooklyn. Gibt es einen Unterschied zwischen der Jazzszene oder dem Publikum in New York und hier in Deutschland?
Ja, es gibt sowohl einen Unterschied zwischen der Jazzszene als auch dem Publikum in New York und Deutschland. Das Publikum hier in Hilden kenne ich natürlich noch nicht. Aber jeder Musiker zieht bestimmte Leute an. Das “Seeds“ in Brooklyn ist ein Epizentrum für kreative Musiker der New Yorker Szene. Hier treffen sich viele, auch jüngere Musiker und Zuhörer.
Der englische Jazzsänger Ian Shaw sagte in einem Interview, dass sich das englische Jazz Publikum sehr vom deutschen unterscheide. In Deutschland sei das Jazz Publikum deutlich älter als in England und entspreche eher dem Klassik Publikum.
Das scheint mir gut beobachtet. Es kommt natürlich immer auf die Musiker und den Ort an, aber im Allgemeinen hört das deutsche Jazz Publikum intensiv der Musik zu und ist ganz bei der Sache. Auch die Szenen unterscheiden sich sehr. In ganz Deutschland gibt es Jazzclubs, die seit vielen Jahren bestehen, eine alte Tradition. In Amerika kommen viele nur zur Unterhaltung, sie wollen einfach einen schönen Abend haben. In Europa ist das Publikum ernsthafter an der Musik interessiert.
Eure Konzerte finden im Rahmen der „Jüdischen Kulturtage im Rheinland“ statt. Welchen Einfluss hat es auf deine Musik, dass du Jude bist?
Definitiv hat es großen Einfluss, ich kann dir nur nicht sagen wie dieser genau aussieht. Es ist ein sehr komplexes Phänomen. Die jüdische Kultur hat mich emotional und intellektuell geprägt und das drückt sich auch in meiner Musik aus. Ich bin ein besonderer Fall, ich besitze vier Staatsbürgerschaften. In Frankreich bin ich geboren, aufgewachsen in der Schweiz und bin Bürger von Israel und den USA. Meine Muttersprache ist Hebräisch. Meine Verbindung zum Judentum zeichnet sich dadurch aus, dass ich in verschiedenen Ländern gelebt habe und dort überall Juden getroffen habe. Das beeinflusst meine Musik, aber ich kann nicht sagen wie. Meine Mutter ist eine sephardische Jüdin, daher kommen Latino Einflüsse und mein Vater ist ein Ashkenasim. Alle diese unterschiedlichen Faktoren prägen mich und spielen eine Rolle in meiner Musik.
Es ist sicher kein Zufall, dass es eine große Anzahl an Jazzmusikern mit jüdischen Wurzeln gibt.
In Amerika ist das ganz einfach zu erklären. Die jüdische Bevölkerung lebte oft dort, wo auch die Afroamerikaner lebten. Sie lebten nicht im Zentrum, sondern an den Rändern. Sie wurden nicht wie die Italiener, Iren oder Engländer in der Gesellschaft akzeptiert.
Sie waren Außenseiter.
Ja, das Wort Außenseiter beschreibt die Situation gut. Deshalb kamen sie auch mit der schwarzen Musik in Berührung.
Du hast dich intensiv mit klassischer Musik beschäftigt und hast z.B. Bruckners 8. Sinfonie neu bearbeitet und arrangiert.
Das Saxophon macht höchstens ein Viertel meiner musikalischen Aktivitäten aus. Den größten Raum nimmt das Komponieren ein und ich dirigiere. Ich bin Gastdozent am Musik Konservatorium in Genf und lehre dort Komposition und Arrangement. Ich schreibe viel unterschiedliche Musik. Mich wundert es, dass meist diese Bruckner Sache so betont wird.
Obwohl das Bruckner Projekt auch sehr interessant war. Es entstand durch eine Verbindung zum Bruckner Haus in Linz. Das Haus gibt Aufträge an junge Komponisten, ich war einer von ihnen, dass Repertoire von Bruckner neu zu bearbeiten und so zu verändern, wie sie es wollen. Meine erste Arbeit war Bruckners Messe Nr.3 in f-Moll, ich nahm sie auseinander und setzte sie völlig neu zusammen. Ich arrangierte sie für ein Nonett und benutzte auch Elektronik. Dann folgte die berühmte 8. Sinfonie. In Japan habe ich letztes Jahr Strawinskis „Geschichte vom Soldaten“ mit einem Ensemble aufgeführt, mit Musikern der Tokyo Philharmoniker. So wechsele ich zwischen den Kontinenten und unterschiedlichen Musikrichtungen und alles zusammen ergibt für mich einen Sinn.
So ist das Saxophonspiel eine Art Entspannung für dich?
Es ist nicht so, dass es keine Anstrengung bedeutet, aber in gewisser Weise stimmt es. Es ist der intimste und direkteste Bezug zur Musik den ich habe. Intimer als alle anderen Arbeiten im Musikbereich. Wenn ich schreibe, dann führen andere die Musik aus, es ist nicht mein Medium. Am Saxophon habe ich die persönliche Kontrolle über die Musik. Obwohl es auch hier keine vollständige Kontrolle gibt.
Morgen geht eure Tour weiter und ihr spielt in der Loft in Köln, auch ein Epizentrum für junge Musiker und neue musikalische Ideen.
Ja, ich habe dort vor 13 Jahren gespielt, 2002 mit Jason Moran. Hans Martin Müller macht dort einen guten Job. Ich weiß nicht mehr genau, wie der Raum aussah, aber ich erinnere mich an die gute Akustik.
Ich wünsche dir und den anderen Musikern weiterhin eine spannende Tour.