Nachruf auf Ali Claudi

Die Nachricht von Ali Claudis Tod im Oktober dieses Jahres hat viele betroffen gemacht, denn seine 60jahrige Aktivität als ‚Gitarrenlegende‘ ist wirklich beeindruckend.

Ali hieß eigentlich Albrecht, doch das wurde schon bald auf Ali verkürzt. Er war ein sehr offener und freundlicher Mensch. Bis zu seinem Tod war er aktiv, Konzerte waren noch bis September nächsten Jahres geplant.

60 Jahre Jazz-Gitarren

Geboren in Menden blieb Ali Zeit seines seines Lebens NRW verbunden, wo er die meisten seiner Konzerte gab. Im Norden Düsseldorfs hat er die letzten Jahrzehnte gelebt und dort ist er besonders oft aufgetreten, in der Jazzschmiede, im Modigliani, beim IDO Festival und bei der Jazzrally.
60 Jahre lang stand er auf der Bühne, in Bochum hat er schon 1964 bei der Grundsteinlegung des Ruhr-Parks gespielt. In vielen Bands war er dabei, schon früh in Kuro’s Jazzband mit Chuck Cornish (s. Plakat unten von 1973). 1965 gründete er sein eigenes Quartett, drei Jahre später ‚Ali Claudi’s Soul Four‘, 1975 die ‚New Four‘, dann Duos u. a. mit Andreas Polte, Jan Bierther , Martin Janneck. Mit der 1964 gegründeten Boogie Woogie Company war er bis zum Schluss unterwegs und spielte lupenreine Jazz E Gitarre, Effektgeräte waren da fast überflüssig.

Repertoire von 1500 Stücken

Sein Repertoire war riesig, er zeigte mir einmal vor einem Konzert eine Liste mit 40 Titeln, die er vielleicht spielen wollte, doch welche, das machte er jeweils von den Reaktionen des Publikums abhängig. Trotzdem hatte er einige Lieblingsstücke, die immer wieder vorkamen: ‚Baby Grand‘ von Billy Joel, ‚La Mer‘ von Charles Trenet; ‚Sweet Emma‘ von Nat Adderley und ‚Chega de Saudade’ von Jobim. George Shearings ,Lullaby Of Birdland’ hat er oft erst in der Swing-Version gespielt, dann aber „300 Jahre zurückversetzt“ im Stil des Barock interpretiert. Dazu erzählte er gerne Geschichten zu den Stücken, z. B. zu ‚Sweet Emma‘ Barett, die vor 100 Jahren in New Orleans auftrat. Auch über eigene Erfahrungen hat er berichtet, z. B. dass er, als der Bossa Nova kam, erschrocken war wegen des unbekannten Rhythmus': „Wir hatten eigentlich nur Caterina Valente“.

Ali im Bochumer Kulturrat

Im Bochumer Kulturrat ist Ali seit 2019 jährlich aufgetreten. Eine Aufnahme ist noch als Video verfügbar:

Ali Claudi Trio im Bochumer Kulturrat am 2.12.2020
Ali Claudi (Gitarre, Gesang), Hans-Günther Adam (Keyboard, Pedalbass), Christian Schröder (Schlagzeug), Aufnahme Martin Jannek

Auch im letzten Jahr ist Ali im Bochumer Kulturrat aufgetreten. Reiner Skubowius, der für das Musikprogramm des Bochumer Kulturrats zuständig ist, hatte oft mit Ali zu tun und berichtet:
„Ich habe diesen musikalischen Gentleman sehr gemocht, seine ruhige Art, seine aufblitzenden (Selbst-)Zweifel, die sich dann in fast kindlicher Art schnell wieder in Begeisterung verwandelten. Sein Stück ‚Time’ kannte ich seit vielen Jahren, ohne den Urheber zu kennen. Ein feiner Mensch, mit zwei verdammt guten Leuten um sich – eine große Leerstelle in der Jazzszene.“

Ali managte sich selbst

Auf die Frage, ob er als Jazzmusiker von seiner Musik leben könne, antwortete er in einem Interview:
„Ja, das habe ich seit 1960 praktiziert. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich für mich und auch für meine Mitmusiker gute Gagen ausmachen kann. Mit ca. 120 Konzerten im Jahr kann man auf einem passablen Level doch einiges an Geld verdienen. .. Man muss das richtig machen, darf keine Agenturen dazwischenschalten, die auch wieder 30% oder so nehmen. Man muss ganz viel spielen, muss viele CDs rausbringen, um das zu unterstützen. Das wird dann ein Selbstläufer, wenn du bekannt bist wie ich in Deutschland.
Ich bin nie in die USA geflogen und England zahlt schlecht. Das Ruhrgebiet und überhaupt Nordrhein-Westfalen ist eine sehr große 'Stadt' mit sehr vielen Locations.“

Autobiographisches Hörbuch und ‚We Blow Your Blues Away’

Für sein autobiographisches Hörbuch ,Spiel ja nicht so laut! Gitarrengeschichten’ hatte Ali 2,5 Stunden frei ins Mikro gesprochen, ohne Moderation.
Im Duo mit Keyboarder Hans-Günther Adam, mit dem er die letzten 20 Jahre unterwegs war, hat Ali Claudi im letzten Jahr das Live-Album ,We Blow Your Blues Away’ veröffentlicht. Aus heutiger Sicht ist Alis Moderation besonders interessant, denn er gab dabei auch Persönliches von sich preis. Mit Frauen scheint er schlechte Erfahrungen gemacht zu haben, das ließ er immer wieder durchblicken.
Man vergisst vielleicht, das die 'Gitarrenlegende' auch oft gesungen hat. Bei einem Interview antwortete Ali auf die Frage, ob er nicht eine Sängerin seine Band gut ergänzen könne: „Nein, eine Sängerin kommt mir nicht auf die Bühne! Wir arbeiten hart und möchten uns nicht mit Sängerin- Befindlichkeiten belasten.“
Als Lothar Trampert im letzten Jahr ein Porträt zu Ali Claudis 80. Geburtstag am 17. Oktober verfasste, wurde bekannt, dass Ali auch ‚Archtop-Experte‘ war für das Spezial-Tuning dieser nach außen gewölbten Gitarren.

We lost a friend

Zum Abschluss seiner Konzerte hat Ali oft ‚You've got a Friend‘ von Carole King gespielt:
“Winter, spring, summer, or fall, all you have to do is call and I'll be there, yeah”


Doch nun können wir Ali nicht mehr rufen. Wir haben einen Freund verloren, doch wir werden ihn nicht vergessen.

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