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Ali Claudi und Hans-Günther Adam

Review + Interview

Köln, 08.05.2021
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: screenshots, K. U. Grigo, Reiner Skubowius

Ali Claudi und Hans-Günther Adam sind zwei Musiker, die schon ewig zusammenspielen. Sie geben nicht auf in dieser schwierigen Zeit. Heute am 2. Mai spielen sie in einem Event-Lokal in Köln Dellbrück. Das Event sind sie selbst, doch keiner durfte kommen. Ihre Anlage haben sie selbst mitgebracht. Eine Uhr mit dem römischen Zahlen hängt an der Wand, durch das Fenster sieht man die Autos vorbeifahren. Dies ist keine abgehobene Konzertatmosphäre, es ist Musik im Hier und Jetzt, man könnte zufällig reinkommen oder durch das Fenster reingucken und lauschen.

Los geht’s mit dem Chattanooga CHOO CHOO, Udo Lindenberg ist damit mal nach Pankow gefahren. Normalerweise entscheidet Ali Claudi ja spontan anhand der Reaktionen des Publikums, was aus seinem riesigen Repertoire er spielt. Das geht nun leider gar nicht, auch der Chat mit den positiven Rückmeldungen kann das nicht ersetzen.

Hier geht’s weiter mit dem Standard Lullaby of Birdland mit einem Gitarrensolo und einer Barockmusik ähnlichen gemeinsamen Improvisation. Hans-Günther Adam spielt das Keyboard mit dem Fußbass, manchmal klingt es fast wie ein Cembalo. So hab ich diesen Song noch nie gehört. Andere Standards folgen wie My BABY GRAND, aber Ali ist dafür bekannt, dass er eine gute Mischung verschiedener Stilrichtungen im Programm hat.

Etwas Lateinamerikanisches ist immer dabei. Heute ist es Chega de Saudade – Schluss mit der Traurigkeit- und das passt ja gerade, irgendwie. La Mer von Charles Trenet scheint ein Lieblingssong von Ali zu sein, das hört man oft auf seinen Konzerten. Ali erzählt, dass Trenet aus Narbonne Plage kommt und erinnert uns an die Schaumkronen auf dem Meer und an die weißen wolken am blauen Himmel. Ob wir dieses Jahr vielleicht doch noch dahin kommen?

Am Ende swingts wieder mit Irving Berlin‘s Cheek to Cheek. Die beiden Musiker kommen auch ohne Drummer gut aus, denn sie sind sehr gut aufeinander eingespielt. Wir haben schon oft darüber berichtet.

Wegen der aktuellen Krisensituation fragen wir die Jazzmusiker, mit denen wir zu tun haben, wie sie die Digitalisierung der Musik sehen. Dazu hier ein

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nrwjazz: Was hälst du von Konzert Streams?

Ali: Für mich ist das eine große nette Geste des DELLJAZZ* und da sind einige, die das machen. Die Jazzschmiede in Düsseldorf als einer der größten in Deutschland macht das schon seit Beginn des Corona-Desasters. Dort haben sie versucht auch jungen Bands eine Chance zu geben. Und wir haben ja sonst nix zu tun und das haben sie wirklich sehr gut gemacht. Solche Streams habe ich jetzt öfter gemacht. Es lief auch immer gut, nur wenn man dann am Ende da steht und keiner sagt etwas, da hab ich mir gedacht ‚Agiere mal so als das Publikum vor dir sitzt‘, das ging auch gut beim Konzert in Essen-Werden.
Ich finde Konzert Streams sind eine gute Lösung um die Sache am Laufen zu halten und die Musiker zu featuren, damit wir nicht vom Publikum vergessen werden. Denn das Publikum sehnt sich ja auch danach. Es ist wichtig, ihm etwas zu bieten, was auch eine gewisse Klasse hat.

nrwjazz: Wenn es wieder normal zugeht, wäre es eine Option für dich, auch solche Konzerte zu machen, oder ist das nur eine Notlösung?

Ali: Ich glaube nicht, dass Konzert Streams auf die Dauer Bestand haben. Die Leute werden sich auf die Live Konzerte stürzen, sobald sie geimpft sind und zu uns hinein dürfen. Auch die Clubs müssen Geld verdienen. Entweder haben sie Rücklagen oder Leute, die ihnen Geld spenden. Doch nur Live Konzerte bringen richtiges Geld ein.

nrwjazz: Bei YouTube gibt es ja länger schon Konzerte, die gestreamt und nicht bezahlt werden. Wie stehst du dazu?

Ali: Natürlich braucht man diese Konzerte auf YouTube. Und ich kann auch gar nicht verhindern, dass Leute während des Konzerts Filme von mir aufnehmen und ins Netz stellen. Ich habe selbst viele Aufnahmen von meinen verschiedenen Bands reingestellt, ich weiß nicht mit wievielen Klicks , irgendwie 100 oder 150 Tausend sind das jetzt schon. Das hilft bei der Akquisition, wo ich dann Leute, die mich engagieren wollen, darauf hinweise. Sie können dann sehen, wie die Band auf der Bühne agiert und dass das auch richtig was Gutes ist. Sowas muss man haben.

lp

nrwjazz: Kann man heutzutage, wenn man nicht gerade weltberühmt ist, als Jazzmusiker von seiner Musik leben?

Ali: Ja, das habe ich seit 1960 praktiziert. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich für mich und auch für meine Mitmusiker gute Gagen ausmachen kann. Mit ca. 120 Konzerten im Jahr kann man auf einem passablen Level doch einiges an Geld verdienen. Die Amateurbands schaffen das nicht, denn es muss schon eine gewisse Qualität haben, was man anbietet.
Früher haben wir im Vergleich zum Geldwert mehr verdient. Man muss das richtig machen, darf keine Agenturen dazwischenschalten, die auch wieder 30% oder so nehmen. Man muss ganz viel spielen, muss viele CDs rausbringen, um das zu unterstützen. Das wird dann ein Selbstläufer, wenn du bekannt bist wie ich in Deutschland.
Ich bin nie in die USA geflogen und England zahlt schlecht. Das Ruhrgebiet und überhaupt Nordrhein-Westfalen ist eine sehr große 'Stadt' mit sehr vielen Locations. In manchen weniger besiedelten Gebieten verdient man pro Abend manchmal mehr, weil es dort keine so dichte Szene gibt.

nrwjazz: Du hast im Februar ein autobiographisches Hörbuch herausgebracht?

Ali: Ich bin in den vielen Jahren oft gefragt worden, ob ich nicht meine Erlebnisse und Erfahrungen mal in einem Buch vorstellen wollte. 2020 fragte mich ein Gitarrenkollege, ob ich denn ein Hörbuch besprechen wollte. Jetzt ist es da! Ich habe es in 2,5 Stunden in einem heraus aus dem Gedächtnis aufgesprochen, ohne Moderation. Später sind mir noch weitere Dinge aufgefallen, vielleicht Stoff für ein weiteres Hörbuch. Jetzt bin ich einer der ältesten amtierenden Jazzgitarristen in der Szene. Komisches Gefühl!!!

nrwjazz: Wie siehst du jetzt für dich die nächste Zeit??

Ali: Ich könnte mir zwar wünschen, dass es wieder so wird wie vor Corona. Aber es wird schwierig. Da ist ein tiefes Loch für viele kleinere Clubs, die keine Sponsoren haben und nur von ihren Mitgliedsbeiträgen und von guten Konzerten leben. Die sind jetzt tatsächlich zum Teil pleite gegangen. Ich weiß nicht, wie die wieder auf die Beine kommen sollen, das wird ziemlich hart.

nrwjazz: Was wünscht du dir für die Zukunft?

Ali: Ich wünsche allen, die sich um die Musik kümmern wie du zum Beispiel, dass ihr nicht das Interesse verliert und uns einfach weiter helft die Sache am Laufen zu halten. So dass man merkt: der Jazz ist nicht tot, er lebt auch in Corona-Zeiten!

*DELLJAZZ ist der Förderverein Dellbrücker Jazzfreunde e.V.

Homepage von Ali Claudi

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