"Veränderte Rahmenbedingungen"
Die Jazzrally ist Geschichte
FOTO: Andreas Wiese
Es war immerhin – von den Zahlen her - das größte Jazzfestival im Lande. Andreas Wieses großartige Fotos von der letzten Festivalausgabe 2023 dokumentieren gut besuchte Konzerte bei herrlichem Wetter an tollen Locations. Sogar in fahrenden Straßenbahnen spielten Jazzbands auf. Die „Schauinsland-reisen Jazzrally“ vereinte sämtliche Altstadtkneipen, vielen Outdoor-Areale am Rheinufer, um das Pfingstwochenende mit Jazz aus vollen Rohren zu begehen. Vor allem: Um damit viel Laufpublikum, das am langen, Frühlingswochenende die längste Theke der Welt flutet, überhaupt erst mit dieser vielseitigen Musikrichtung in Berührung zu bringen. Damit ist jetzt Schluss. Die Mittelstandsvereinigung Destination Düsseldorf (DD), die als privatwirtschaftliche Veranstaltergesellschaft 30 Jahre lang die Jazzrally veranstaltete, hat einstimmig beschlossen, dieses Event nicht mehr fortzuführen. Dies geht aus einer aktuellen Verlautbarung auf der Website der Destination Düsseldorf hervor. Es gibt also auch keine 30. Festivalausgabe mehr.
Liegt es an Corona und am Ukraine-Krieg?
Grund für das Ende seien Rahmenbedingungen, die sich in den vergangenen Jahren stark verändert haben – von den üblichen Verdächtigen ist hier die Rede. Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie und den Krieg Russlands in der Ukraine haben sich Dinge fundamental verschoben. Vor allem seien die Kosten zuletzt massiv gestiegen. Auch sei die Nachfrage beim Publikum zurückgegangen, was die Jazzrally-Veranstalter auf eine „steigende Verunsicherung angesichts der eingetrübten Konjunktur“ zurückführen.
Möglicherweise spielte auch eine Reform beim Ticketing für die Konzerte der zurückliegenden Ausgabe eine Rolle: Statt eines Eintrittsbuttons für die Mehrzahl der Konzerte wurde auf Einzelverkauf umgestellt, wodurch die Besuchszahlen der Konzerte spürbar einbrachen. Das Sich-Treiben-lassen und unverbindlich überall mal reinschnuppern, um dann irgendwo hängenzubleiben, machte ja den Charme dieser Veranstaltung aus. Otto Lindner, Sprecher des DD-Vorstands, erklärt: „Die Rally hat seit 1993 mit über 2.000 Konzerten und vielen unvergessenen Momenten das musikalische Leben in unserer Stadt maßgeblich mitgeprägt. Wir blicken dankbar auf diese Zeit mit vielen begeisterten Zuhörern und engagierten Partnern zurück.”
"Zu viele Risiken, zu wenig Chancen"
Dann kommt das große Aber, welches Otto Lindner aufführt: „Wir haben die Situation der Rally in den vergangenen Monaten auch mit externer Expertise sehr detailliert erörtert und sind im Vorstand einstimmig zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Fortführung dieser komplexen Veranstaltung unter konzeptionellen wie wirtschaftlichen Aspekten nicht mehr zu verantworten ist – zumal der Großteil des Festivals privatwirtschaftlich finanziert und von privaten Geldern abgesichert wird. In der Gesamtschau stehen zu viele Risiken zu wenigen Chancen gegenüber. Im Namen der DD danke ich allen Fans und Wegbegleitern, die uns in all den Jahren die Treue gehalten haben. Ich danke der Stadt Düsseldorf, dem Team um Petra Schlieter und Nils Gropp, Rainer Witzel sowie allen Partnern und Sponsoren, die die Rally für unsere Heimatstadt mit ermöglicht haben.“
Neue Formate für „breitere Zielgruppen“?
DD-Geschäftsführer Thomas Kötter äußert sich hoffnungsvoll: „Wir bedauern das Ende einer tollen Ära, freuen uns aber auf neue Chancen und Möglichkeiten. Es ist jetzt Zeit für etwas Neues. Wir haben spannende Ideen entwickelt, deren Umsetzbarkeit wir nun in den kommenden Monaten prüfen werden. Wir möchten ein Format etablieren, das mit einer vergleichbaren Leichtigkeit wie die Rally daherkommt, jedoch für eine breitere Zielgruppe Relevanz entwickelt und gleichzeitig ideal zu einer Wirtschaftsvereinigung wie der DD passt. Sollten wir den notwendigen Zuspruch erfahren, werden wir voraussichtlich 2025 mit dem neuen Format an den Start gehen.“
VerödUng der Kulturlandschaft?
Eine Verödung der Kulturlandschaft sei durch den Wegfall dieses (deutschlandweit) wohl publikumswirksamsten Jazzfestivals nicht zu befürchten, betonte Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller im Gespräch mit Dirk Neubauer vom Stadtmagazin Düsseldorf aktuell. Als aktuelle Beispiele für Düsseldorfs renommierten Status als Kulturmetropole nannte er im Gespräch mit Stephan Keller „die anstehende Premiere des Musicals Abenteuerland, ebenso die erfolgreiche MTV Music Week, bei der sich „internationale Weltstars auf der Bühnen die Klinke in die Hand geben.“
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Zu diesem Beitrag passt auch der Beitrag von Bernd Zimmermann "Wo ist nur all das Publikum hin", über die mögliche Hintergründe des Publikumsschwunds.