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​Roger Hanschel/Trio Benares

Rajas

Köln, 20.02.2020
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Klassische indische Musik folgt strengen formalen Prinzipien, zugleich ist Improvisation wesensimmanent. Seit Coltrane ließen sich Jazzmusiker davon inspirieren und erweiterten ihr Vokabular. Das Trio Benares geht einen großen Schritt weiter - dichter an der Primärquelle kann man nicht dran sein!

Schon das Eröffnungsstück bündelt eine Stringenz, die sich wie eine straff gespannte, abrupt losgelassene Feder entlädt. Er sowie Deobrat Mishra, Sitar und Prashant Mishra auf den Tablas vereinen sich zum gemeinsamen „Über-Instrument“. Eingespielt über Jahre sind die drei allemal. Roger Hanschel bereist aus einem tiefen persönlichen Bedürfnis heraus jedes Jahr über längere Zeiträume den fernen Subkontinent zum Musikmachen. Anders wäre das auf dieser CD Erlebbare auch nicht denkbar: Kaum fassbar, wie sich sein Spiel unisono und Note gegen Note gegen die wirbelnden Figuren auf der Sitar behaupten kann. Was der Sitarspieler mit filigransten Auszierungen vermag, dem entspricht Hanschels unnachahmliche Anblastechnik, in der rasende Tonrepetitionen zu vibrierenden Klangflächen werden. Der gemeinsame Nenner ist klar definiert: Fast alles in der indischen Musik kommt vom Vokalisieren der Rhythmen her. Dieses Trio schöpft aus diesem Prinzip eine geradezu artikulatorische Besessenheit.

Im Eröffnungs- und Titelstück "Rajas" lebt ein fast beängstigender Vorwärtsdrang. Klassische Raga-Stücke sind immer auf eine konkrete Stimmung und gerne auf eine Tageszeit bezogen – hier kann nichts anderes als ein strahlender frischer Morgen gemeint sein! Es folgt ein ruhiges Stück zum Verweilen, wenn ein langes Intro zur Kontemplation auffordert. Danach geht es variantenreich und mit Tempowechseln weiter. Denn das neue Werk „Rajas“ ist keine strenge Raga-CD, behauptet doch ein hellsichtiger, abwechslungsreicher Dialog eine solide Souveränität über die klassische Form. Dadurch bleibt das Hörvergnügen über die gesamte Spiellänge hin abwechslungsreich und es passiert beständig neues: Etwa weit angehauchte Melodienbögen voll orientalischer Sehnsucht oder markante Bass-Ostinati der Tablas. Diese sind nämlich angesichts des Vorhandeneins einer festdefinierten Tonhöne keine Trommeln im eigentlichen Sinne, sondern kommen eher kleinen Pauken gleich...

Man kann und darf auf dieser CD in einen zeitlosen Kosmos musikalischer Möglichkeiten eintauchen, den sich diese drei traumwandlerischer Spieler zur eigenen Sache gemacht haben.

Trio Benares: Rajas

Deobrat Mishra: Sitar

Roger Hanschel : Altsaxofon

Prashant Mishra: Tabla

jazzsick 2019

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