Nuno Côrte-Real & Ensemble Darcos
Time stands still
TEXT: Stefan Pieper |
Ist das alt oder kommt es aus der Gegenwart? Komponiert oder doch improvisiert? Wie aufregend modern klingt Renaissance – aber wie unberechenbar ist doch dieses Kaleidoskop aus Klangfarben und Stimmungen! Und der Klavierjazz von Maria Joao ist doch manchmal purer Impressionismus, wenn man ihn in neue instrumentale Klangfarben kleidet...
Man kommt beim Hören des neuen Albums „Time stands still“ von Nuno Côrte-Real und dem Lissaboner Ensemble Darcas kaum mit, irgendeine Kategorisierung zu treffen. Nach einer wuchtigen, perkussionslastigen Einleitung erhebt die Sängerin Ana Quintans ihre strahlend aufblühende Stimme, was die Aura von stolzer Melancholie verbreitet. Damit verleiht sie John Dowlands „Come Again sweet love doth now invite“ und danach sämtliche weitere Schöpfungen des Shakespeare-Zeitgenossen eine zeitlose Ausstrahlung.
So, wie Dowlands Lieder auf diese Weise unmittelbar zum Hörer sprechen, so ziehen Nuno Côrte-Reals multistilistische Einmischungen in vielfältige, raffiniert instrumentierte Klangwelten hinein. Nuno Côrte-Reals kompositorische Einwürfe widerspiegeln jeweils eigene Hintergründe: Jedes einzelne Stück soll eine Hommage an einen für die eigene künstlerische Vita besonders wichtigen Menschen sein. Einer von ihnen ist Sir Christopher Bochmann, der Nuno Côrte-Real in Sachen musikalischer Moderne prägte. Das ihm gewidmete Intermezzo-Stück spitzt dodekaphonische Tonreihungen expressiv zu. Eine Anspielung auf den Klavierjazz von Maria Joao führt dann wieder in ganz andere, impressionistische Richtungen. Alle diese überraschenden Exkurse laufen wieder auf eins hinaus: Auf den ungemein steigerungsfähige Gesang von Ana Quintans.
Das letzte Intermezzo aus Côrte-Reals Feder ist viel mehr als ein solches: Nämlich ein symbolträchtiger Epilog auf Basis der letzten geschriebenen Worten eines guten Freundes. Morbide, dunkle türmt das Ensemble Darcos auf, bevor alles wie ein ausglühendes Feuer verlöscht.
CD & Download
TIME STANDS STILL
JOHN DOWLAND • NUNO CÔRTE-REAL
ANA QUINTANS | ENSEMBLE DARCOS
artway records 2020