MOTION TRIO und Ratinger Kammerchor
P 75
TEXT: Stefan Pieper |
Wenn ein hochmotivierter Klangkörper wie der Ratinger Kammerchor das polnische Motion Akkordeon-Trio in seine Mitte nimmt, sind aufregende Synergieeffekte vorprogrammiert. Vor allem, wenn es bei dieser Kollaboration, die nun auf CD vorliegt, um ein Thema mit Gewicht geht: Im letzten Jahr vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, seitdem herrschen (mehr oder weniger) Frieden und Meinungsfreiheit in Europa. Das Projekt P75® steht für die Erinnerung an diesen Jahrestag und soll die positiven Entwicklungen der letzten 75 Jahre musikalisch aufgreifen.
Janusz Wojtarowicz, Pawel Baranek und Marcin Galazyn, drei in Krakau beheimatete, weltweit auftretende Klangabenteurer bilden mit ihren Akkordeons das Zentrum. Getragen wird das entstehende reiche Geflecht von einer sehr stimmigen Mischung von Kompositionen. Spektakulär ist der rhythmisch prägnante Einstieg, als dann vertrackte osteuropäische Polyrhythmik, kühne dissonante Harmonik, aber auch intelligent eingestreute Jazzelemente den Spannungslevel hoch halten. In diesem Kontext fühlt sich die von Dominikus Burghardt geleitete Kammerphilharmonie sichtlich wohl.
Viele der für dieses Projekt neu komponierte und arrangierte Musiken funktionieren nach dem Prinzip, aus mannigfaltigen polyphonen Strukturen einen durchgehenden, sich mächtig ausbreitenden Affekt zu erzeugen. Keine Ausnahme macht hier das Stück „If“ zu Michael Nymans Filmsoundtrack zu „The Diary of Anne Frank“ - übrigens war der Schlagzeuger Jens Düppe an diesem Arrangement beteiligt. Ebenso hat das Motion Trio schon mit Michael Nyman zusammen gearbeitet.
Kernstück und Ursprung des Projektes war eine Schöpfung von Janusz Wojtarowicz, einem Mitglied des Motion Trios: Eine raffinierte Lautmalerei betreibt das Stück „Sounds of War“ - eine Klangmeditation über das akustische Gesicht des Krieges. Es ist erstaunlich, was für klangliche Möglichekten auf den Akkordeons hier ausgereizt werden. Allein die Imitation von Flugzeuggeräuschen erzeugt verstörendes Hörkino genug.
Der Stimmungsbogen der insgesamt 10 Stücke berührt die ganze Vielschichtigkeit menschlicher Schicksale und Empfindungen im Angesicht von Krieg, Verzweiflung, beschreibt aber auch eine positive Dynamik von Überlebensmut und Hoffnung. Gerade die lyrischen, melodiösen Momente sind Signale an die Humanität - etwa das Stück "Pater Noster", welches an die Öffnung der Grenzen im Jahr 1989 erinnerte, ebenso die Titelmelodie aus dem Film „The Rose“ über das Schicksal einer jungen, jüdischen Frau, die schließlich nur deshalb verschleppt wurde, weil niemand um sie herum die Zivilcourage besaß, dies zu verhindern.
Die Interaktion zwischen dem "Motion Trio" und dem Chor entwickelt sich auf dieser Produktion in viele Richtungen. Vor allem die Sängerinnen und Sänger lassen sich von der Experimentierlust der drei Krakauer Akkordeonvirtuosen zu neuen vokalen Grenzerfahrungen animieren. Dieses Miteinander wird im zunehmenden Verlauf noch packender: Bravourös verzahnen sich die Instrumente mit dem Chor im Stück Stars (auch hier zeichnet neben den Motion-Musikern auch wieder Jens Düppe verantwortlich) in einer dichten komplexen Interaktion, die auch an die bombastischeren Werke von Philip Glass (vor allem an dessen Koyaanisqtsi-Filmsoundtrack) erinnern lassen - hier aber vom französischen Elektronikpop-Pionier Jean-Michael Jarre stammen. Einmal auf solchen Umlaufbahnen unterwegs, geht es in ein noch abenteuerlicheres Finale hinein - ein repetitives Stück, welches den Sound eines Helikopters als musikalisches Thema heranzieht. Die Anforderungen an den Chor müssen zu diesem Zeitpunkt extrem sein: Allein die vielen ausgiebigen Glissandi vor allem in den hohen Stimmlagen wären wohl undenkbar, wenn hier nicht eine jahrelange professionelle Stimmbildungsarbeit ihre Früchte trägt.
Friedenskirche
Mit der Friedenskirche verfügt die ev. Kirchengemeinde in Ratingen-Ost über einen Raum, der durch das Zusammenspiel von Architektur mit liturgischer Formensprache ein ganz besonderes Konzert-Ambiente aufweist.
Mit Thomas Gerhold verfügt die Gemeinde über einen musikbegeisterten Pfarrer, der im Rahmen seiner theologischen Arbeit die Durchführung vielfältiger Konzerte und anderer Kulturveranstaltungen ermöglicht, wobei die Internationalen Jazz-Konzerte unter dem Label eastPLUGGED® gemeinsam mit der USB Stiftung präsentiert werden.Diese Verbindung ermöglicht es, Musiker der internationalen Spitzenklasse ohne weitere Unterstützung und damit auch ohne Einfluss von Sponsoren zu engagieren und „hautnah“ zu erleben.
USB-Stiftung
Der Zweck der Stiftung umfasst die Organisation, Durchführung, Förderung und/oder Unterstützung von Tätigkeiten in den Bereichen Soziales, Umwelt und Kultur innerhalb der Europäischen Union.
CD bestellen unter
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