Markus Stockhausen
Wild Life
TEXT: Stefan Pieper |
Markus Stockhausen hat sich als Jazztrompeter gegenüber dem Erbe seines Vaters durch einen Paradigmenwechsel emanzipiert: Das kompositorisch-theoretische tritt zurück zugunsten der Improvisation als bevorzugte Arbeitsweise. Geblieben ist jedoch alles andere, wofür dieser Name in der Musikgeschichte steht: Das Bekenntnis zur schöpferischen Freiheit und in durchaus spirituell zu nennender Dimension. Markus Stockhausen selbst bringt es noch direkter auf den Punkt, wenn er von „Intuition“ spricht.
Das Eintauchen in den Kosmos der neuen Dreier-CD „Wild Life“ macht deutlich, dass hier zwischen den sieben Beteiligten – zum großen Teil herausragende Jazzmusiker aus NRW, Markus Stockhausen inclusive – eine tiefe Übereinkunft herrscht. Alle Beteiligten schwingen sich in den meist überlangen Stücken zur Höchstform auf, reißen Grenzen ein, kehren ihr Inneres nach außen. Alles wurde übrigens so aufgenommen wie gespielt, so dass sich nahezu jede Postproduktion erübrigte. Auch das lässt staunen angesichts des transparenten und überaus satten Klangbildes dieser Aufnahmen aus dem Jahr 2018.
Falsch liegt also, wer bei „Wild Life“ die wilde Skizzenhaftigkeit irgendeines Sessionmitschnitts vermutet. Auch benötigen die ausgiebigen Kollekivimprovisationen kein langes Herantasten und Suchen, bis irgendwann mal der große Moment geboren ist. Ebenso wenig läuft hier einer der Beteiligten Gefahr, sich in freitonale Labyrinthe zu verirren – denn dafür sind alle Beteiligten viel zu sehr in einem klar definierten spielerischen Vokabular geerdet. Markus Stockhausen (Trompete), Simon Stockhausen (Elektronik und Saxofon), Florian Weber, (Piano, Synthesizer, Stimme), Jörg Brinkmann, (Cello), Michelangelo Flamma (E-Bass), Christian Thomé (Drums, Elektronik) und Bodek Janke (Drums, Tala) sorgen mit imponierender Wucht stattdessen dafür, dass hier beides geht: Sowohl sich vom hypnotischen Spannungsbogen mitreißen lassen, als auch, sich auf den einzelnen Moment als in sich schlüssiges, aus sich selber heraus faszinierendes Erlebnis zu fokussieren.
Markus Stockhausen kooperiert hier mit seinem Halbbruder Simon Stockhausen – dieser vereint in ausgesuchten Momenten seine empfindsamen Saxofonlinien mit dem expressiven Trompetenspiel des Bandleaders. Vor allem aber legt Simon Stockhausen als elektronischer Sounddesigner die akustischen Koordinanten für die entstehenden instrumentalen Landschaften fest. Das allein beflügelt die Fantasie und gibt dem Septett maximale Bewegungsfreiheit. Christian Thomé und Bodek Ranke wachsen über weite Strecken als rhythmisch überbordendes Schlagzeuger-Duo zusammen – aber jeder für sich bringt auch seine ganz individuelle Diktion zur Entfaltung. Und vor allem Bodek Jankes rasant-filigranes Tabla- Spiel strahlt als ganz neuer Aspekt in diesem kollektiven „Stockhausen-Universum“.
Jörg Brinkmann setzt sein Cello in allen nur denkbaren Ausdrucksmöglichkeiten ein, schraubt sich oft in schwindelige Höhen hinauf, so dass man zuweilen an eine Elektrovioline erinnert ist. Pianist Florian Weber ist ohnehin immer nah dran an Stockhausens Trompete. Diese bringt sich in kluger Ökonomie, immer wieder neu und anders, lyrisch, virtuos, expressiv und auch mal elektronisch bearbeitet ein- eben da, wo es gebraucht wird! Die Spiellust ist grenzenlos. Wenn nicht gerade mit rockig aufgetürmten Klangmassen die Luft ins Brennen versetzt wird, da zieht es einen hinein in aufregende, manchmal psychedelische Klang-Landschaften. Denn die reiche Gestaltungskraft des Septetts lädt auch die ruhigen, meditativen Parts mit visionärer Bildkraft auf.
Stücke wie „Zwielicht“, „Mangrove Dance“ „Moonlight in your Face“ klingen alle so, wie sie heißen - man möchte nicht genug bekommen davon!