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Zodiak Trio

Acid

Gelsenkirchen, 05.10.2012
TEXT: Bernd Zimmermann | 

Hochöfen statt Hochkultur! Säure, ätzend und doch für industrielle, sprich produktive Prozesse unverzichtbar. Material wird bewegt, zerlegt und neu zusammengesetzt. Aggregatzustände verändern sich, was eben noch fest und unverrückbar erschien, löst sich plötzlich im zischenden Dampfstrahl auf. All das erzeugt Reibung, Hitze und Lärm. Der Aufwand ist ganz unterschiedlich, mal braucht’s nur wenige Sekunden, dann wieder reichen zehn Minuten kaum aus.

Das Essener Zodiak Trio holt zum dritten Streich aus. Doch was heißt hier Essen? Das Zodiak Trio muss sich eher in internationalen Maßstäben messen lassen.

Alles, was sich zum letzten Album, dem 2010 erschienenen „Q-Train“ sagen ließ, trifft auch auf die neue Platte zu, und doch sind ein paar wesentliche Akzente völlig anders gesetzt. Es handelt sich nach wie vor um elektrischen Power Jazz, der mit jeder Erwartungshaltung bricht und aus einer zutiefst ehrlich empfundenen inneren Notwendigkeit geboren wird. Doch mitten im atemlosen Sprint auf einem Pflaster voller Ölpfützen und Glassplitter kann sich das Trio auch in die Hängematte fallen lassen und entspannt innehalten. Kontraste, Gegensätze, scharfe Konturen und Abgrenzungen sind die Alleinstellungsmerkmale von „Acid“.

Renken, Wahl und Oezsevim treffen eine neue Verabredung. Auf „Q-Train“ haben sie sich und uns die Frage beantwortet, was drei Individualisten zu einer Band macht. Seither sind sie viel gemeinsam auf Tour gewesen, haben aber auch über längere Zeiträume Abstand voneinander gehalten. Als es an die Vorarbeiten zu „Acid“ ging, hieß es sich erst einmal wieder zu beschnuppern. Das Zodiak Trio war immer noch das Zodiak Trio. Doch die zentrale Frage stellte sich diesmal aus der zu „Q-Train“ diametralen Perspektive. Wo sind in einer festgefügten Band die drei Individuen? Beschrieb die letzten Platte eine perfekte Kugel, die in ihrer makellosen Kompaktheit aus jeder Position den gleichen Anblick bietet, so gleicht „Acid“ eher einem Dreieck, in dem die drei Eckpunkte ganz klar herausgearbeitet sind. Die Band setzt das verbindende Element der Elektronik wesentlich dezenter ein und lässt Trompete, elektrische Gitarre und Schlagzeug viel direkter als genuine Klangerzeuger stehen. Die Konstellationen zwischen den drei Musikern verschieben sich in jedem Stück. Kein Song hält, was der vorherige versprochen haben mag. Spitzen treffen auf Flächen, scharfe Kanten auf weiche Rundungen. Grandiose Melodien, die fast wie Kinderlieder wirken, wechseln sich mit flüchtigen Klangtorsi ab. So gelingt es der Troika auf mitreißende Weise, 13 ganz unterschiedliche Angebote zu machen, was das Zodiak Trio 2012 sein kann.

Der Titel „Acid“ mag vielleicht ein wenig in die Irre führen, wenn man ihn mit psychedelischer Sixties-Romantik übersetzen würde. Der Begriff Acid ist hier eher ein Synonym für die physikalischen Grundeigenschaften von Säure. Ätzen als Form der Zersetzung und Materialveränderung. Diese Musik kann man buchstäblich riechen. Das beste Beispiel ist der Titelsong selbst, der in einer völlig freien Improvisation im Studio entstand. Überhaupt ist das ganze Album in seiner extremen Tripolarität und narrativen Unterschiedlichkeit in ganzen anderthalb Tagen im Berliner Traumtonstudio aufgenommen worden. „Wir sind im Studio angekommen, haben unser Zeug aufgebaut, einen Kaffee getrunken und losgelegt“, beschreibt Renken den Prozess mit der gut eingespielten Band, die das Gros des Materials bereits live erprobt hatte. Entsprechend klingt dann auch das Album. Denn schon nach wenigen Tracks wird deutlich, kein Klangzustand, mag er auch noch so überwältigend, schön oder abgrundtief sein, ist so kostbar, dass man länger als unbedingt nötig an ihm festhalten müsste. Was zählt sind allein die Stimmung und Haltung des Augenblickes, in dem sich eine bestimmte Idee manifestiert. Das Zodiak Trio setzt voll auf die riskante Schnellläufigkeit des kreativen Moments. So muss urbaner Jazz 2012 klingen!

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