WDR Bigband und Chuck Owen
Renderings
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Luke Marantz
Die WDR Big Band hat mit dem Pianisten, Komponisten und Arrangeur Chuck Owen das Album 'RENDERINGS' veröffentlicht.
Chuck Owen leitet u. a. in Florida die Bigband ‚Chuck Owen and The Jazz Surge‘, die noch 2013 zusammen mit Nat Adderley und Benny Golson auftrat. Wird die WDR Big Band nun zum deutschen Pendant der JAZZ SURGE Bigband? Nein, denn in Köln ist vieles anders. Die Musikerinnen und Musiker der WDR Big Band komponieren auch selbst. Drei Stücke hat Owen davon ausgesucht: ‚Of Mystery and Beauty’ der Saxophonistin Karolina Strassmeyer, ‚Fall Calls‘ vom Bassisten John Goldsby und ‚Canoe‘ vom Altsaxophonisten Johan Hörlén. Ein weiteres Novum: wohl zum ersten Mal spielt eine Geigerin, Sara Caswell, mit der Big Band.
Einiges erinnert an das Album der WDR Big Band ‚Birth Of A Bird‘ aus dem letzten Jahr, bei dem Johan Hörlén mit dem AltSax eine wichtige Rolle spielte. Diesmal ist er zusammen mit Ludwig Nuss (Posaune) bei seiner Komposition nicht mehr so 'beboplastig', sondern gemächlicher unterwegs.
‚Fall’ nennen die Amerikaner den Herbst, doch nach ‚Autumn Leaves’ hört sich die Komposition ‚Fall Calls‘ des Bassisten John Goldsby gar nicht an. Sehr ruhig, leicht melancholisch, mit einem munteren Gitarren-Solo von Philipp Brämswig herrscht am Ende fast eine Art Aufbruchstimmung.
Chuck Owens eigene Stücke ‚Knife's Edge’, ‚And Your Point Is' und ‚A Ridge Away‘ bieten den vollen Bigband-Sound und zeichnen sich durch zahlreiche Soli der Kölner Musiker mit der bekannten hohen Virtuosität aus. Dies gilt in besonderem Maße für die Soli von Ruud Breuls (tp) und Billy Test (p) bei ‚A Ridge Away‘.
Symphonischer Jazz mit Geige?
Etwas ganz Besonderes ist auf diesem Album die US-amerikanische Jazz-Geigerin Sara Caswell, die auch Owens ‚Jazz Surge’ angehört. Bekannt wurde sie 2018 mit ihrem Solo bei "Can’t Remember Why vom Album Whispers on the Wind" in Chucks Band, für das sie für den ‚Grammy Award for Best Improvised Jazz Solo‘ nominiert wurde.
Geige im Jazz ist immer noch eine Ausnahme. Sara Caswell ist beim neuen Album der WDR Big Band zweimal zu hören, bei ‚Of Mystery & Beauty‘ von Karolina Strassmayer und bei ‚Arabian Nights’ von Chick Corea.
Karolina Strassmayer geht mit ihrer Komposition ‚Of Mystery & Beauty‘ in Richtung eines symphonischen Jazz, nicht zuletzt wegen der Einbeziehung einer Geigerin, die oft an klassische Musik erinnert. Nach einem längeren Intro führen Sax und Geige im Wechsel ins Thema ein, schon hier mit vielen Variationen. Dann ein kurzes Crescendo, mehrere Sax-Soli, später ein Violinensolo, das kaum jazzig klingt. Man weiß nicht recht, wohin die Reise geht, das Motiv scheint verloren gegangen. Dann ein erneutes Crescendo, das in eine ruhige vom Saxofon getragene Passage einmündet. ‚Mysteriös’ sagt der Titel – mag sein, doch durchgäng ‚schön‘ ist vor allem die Bassbegleitung von John Goldsby, mit der das Stück auch ausklingt. Dieses Stück klingt, sorry, insgesamt eher konstruiert als komponiert, zeitweise geradezu ‚zerfasert‘. Und der Sound der Geige passt nicht zu dem der Big Band, sodass kein einheitliches Klangbild entstehen kann.
Bei ‚Arabian Nights’ fügen sich die Passagen der Geige besser ein, obwohl die Geige hier weit weniger Raum als bei dem vorherigen Stück hat. Im Vordergrund steht ein geradezu wildes Gitrarrensolo von Philipp Brämswig, das an Nguyên Lê erinnert
Die WDR BigBand wird hier nicht zum deutschen Pendant der JAZZ SURGE Bigband. Die Sounds sind zwar manchmal ähnlich, doch die Kompositionen der Kölner Musiker zeigen, dass diese durchaus eigene Potenziale haben und nicht auf ‚Entwicklungshilfe‘ aus den USA angewiesen sind. Und die WDR Big Band ist nicht auf dem Weg zum symphonischen Jazz. Sie ist mit ihrem eigenen Stil weltweit erfolgreich. Ob allerdings eine Geige dazu passt, bleibt fraglich.
Chuck Owen & WDR Big Band - Renderings
Label: Summit
Bestellnummer: CD 11500962
Erscheinungstermin: 20.10.2023