Wang Zadra Duo
Incantanation
TEXT: Stefan Pieper |
Die musikalische Gegenwart kennt keinen Stillstand – auch nicht, wenn neue Besetzungen und Instrumentenkonstellationen die Musikwelt bereichern. Wie wäre es mit Saxofon plus akustischer Gitarre? An der Musikhochschule München fanden der Bozener Gitarrist Roberto Zadra und der chinesische Saxofonist Zihao Wang zusammen und erkannten das Potenzial dieser ungewöhnlichen Instrumentenpaarung. Also gründeten sie das Wang-Zadra Duo.
Das aktuelle Debütalbum "Incantation" erkundet das Spannungsfeld zwischen Jazz und neuer Kammermusik und bietet Musik von Expressivität und Einfallsreichtum. Jazzstücke, die das Prinzip der Sonatenform erfüllen und transkulturelle Klanglandschaften liefern – das Spektrum ist vielfältig, kommt aber stilistisch fokussiert daher.
Russell Petersons "Sonata for Alto Saxophone and Guitar" bildet den konzeptionellen Kern des Albums. Wang und Zadra spielen diese Musik mit Leichtigkeit und verwandeln die technischen Herausforderungen dieser „ungleichen" Instrumente in eine fließende Konversation. "Moderately Funky" ist einer der Sätze überschrieben – ein Programm, wenn sich Jazzrhythmen mit kammermusikalischer Präzision zu Klanggebilden vereinen. Die Interaktion zwischen Wang und Zadra wirkt dabei selbstverständlich. Mit einem Stück von Einojuhani Rautavaaras begibt sich das Duo in finnische Klangwelten. Ursprünglich für Flöte komponiert, erhält das Werk durch Wangs Saxofonspiel eine Neuinterpretation. Sein Ton wandelt sich vom Flüstern bis zu expressiven Ausbrüchen und verleiht der nordischen Klanglandschaft Intensität. Zadras Gitarrenklänge schaffen ein Geflecht aus harmonischen Farben und rhythmischen Impulsen.
Verschiedene kulturelle Einflüsse werden miteinander verwoben
Javier Contreras' "CEM" bietet mit lateinamerikanischen Einflüssen einen Kontrast. Bei diesem Stück beeindruckt, wie präzise das Duo agiert. Jede Phrase wirkt unmittelbar. Stephen Goss' "Motherlands" ist eine musikalische Weltreise, die kulturelle Einflüsse zu einem Ganzen verbindet. Vom meditativen Titelstück "Incantation" über die Klezmer-inspirierten Wendungen in "Roah Vero" bis zur Tiefe von "Motherless Child" ist der Bogen weit gespannt, bis sich schließlich im Stück "Beirut" orientalische Melodik und westliche Harmonik verweben. Wangs variabler Saxofonklang, der Schattierungen zwischen hauchartem Flüstern und Leidenschaft meistert, ist bemerkenswert – klar, aber auch aufgeraut, wenn die Musik es verlangt. Zadras Gitarrenspiel vereint technische Präzision mit einer klanglichen Finesse, die immer wieder aufhorchen lässt.
Für Jazzfans und Liebhaber zeitgenössischer Kammermusik, die nach neuen Hörerfahrungen suchen, ist dieses Album eine Empfehlung. Das in NRW beheimatete Label ARS profiliert sich mit dieser Produktion einmal mehr als Entdeckerlabel, indem es einer kreativen, zugleich plausiblen Weiterentwicklung musikalischer Genres und Besetzungen Gehör verschafft.