Bild für Beitrag: Walk Alone | Sensationelles Kontrabass-Solo-Album von Phil Donkin
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Walk Alone

Sensationelles Kontrabass-Solo-Album von Phil Donkin

Köln, 21.02.2023
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Lena Ganssmann

Es gehört schon eine Portion Mut dazu, ein Solo-Album auf dem Kontrabass herauszugeben, gilt das Instrument trotz seiner längeren Emanzipationsgeschichte von dem bloßen Rhythmik- und Harmonieinstrument in two-beat-Tradition bis zum heutigen typischen Begleitinstrument, das solistische Ausbrüche oder Ausflüge zulässt. Mit Walk Alone des in Berlin lebenden Engländers Phil Donkin liegt nun ein Album vor, das aufhorchen lässt. Die neun Titel der CD – erschienen im Kölner Jazzlabel KLAENG - lassen eine äußerst sensible und variationsreiche Stimme eines ausgesprochen klangvollen Instrumentes erkennen. Der 42-jährige Bassist entwickelt auf dem Vier-Saiter einen wunderbar kräftigen expressiven Sound, sein Pizzicato etwa in dem Opener There Are Rumblings oder in Blues Correlation strotzt vor Vitalität und Virtuosität bis in die hohen Lagen. In dem sechseinhalb-minütigen Numb Worm entsteht im Overdub ein wunderbar singender Dialog zwischen gestrichenem und gezupftem Bass: Das Pizzicato lässt die Saiten jeweils relaxed-ruhig ausklingen und über den gestrichenen langen Tönen in „betäubender“ Polyphonie schweben. Überhaupt liegt die Stärke des Solisten darin, dem Bass eine auffallend melodiös geprägte Singstimme zu entlocken. Titel wie das mehrstimmige Disconnection oder Saturation Point haben wohlklingenden Songcharakter. Das stilistische Vokabular des Bassisten speist sich eher aus melodischen denn aus perkussiv-rhythmischen Elementen, die der gängigen Erwartung an das Kontrabass-Spiel vielleicht eher entsprechen. In der Komposition The Crucifixion von Samuel Barber erzeugt Phil Donkin einen mythisch-sphärischen Klangraum: Experimentell anmutende Geräusche entwickeln sich aus einem Schwebezustand zu einer melodiegeprägten und tief grundierten Stimme.

Große Bandbreite an spieltechnischen und musikalischen Mitteln

Dem Bassisten gelingt mit seinem wahrscheinlich der Corona-Zeit geschuldeten Alleingang eine hervorragend ausgewogene Balance von vitalen, intensiven und sensiblen Phrasierungen, ja, er zeigt eine bewundernswert große Bandbreite an spieltechnischen und musikalischen Mitteln, die gerade im Soloalbum besonders konturiert präpariert werden können. Der optimal aufgenommene und gemischte Sound lässt einen souverän und äußerst beweglich spielenden Künstler am Tieftöner erkennen, der dem Soloinstrument Facetten und Resonanzen entlockt, die über einen stereotypen Solo-Einsatz weit hinausgehen. Man hört dem Album an, dass Phil Donkin einen intensiven Gang als Sideman von unzähligen Gruppierungen in England, den USA und Europa hinter sich hat und sich zu einem unglaublich reifen Solo-Künstler entwickelt hat. Chapeau!

Phil Donkin: Walk Alone. Klaeng Records 2023 LC 30645

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