Bild für Beitrag: Up and Coming | Magie des Schönklangs

Up and Coming

Magie des Schönklangs

Bochum, 10.02.2017
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | 

Im letzten Dezember wurde er live im Dortmunder domicil im Duo mit dem Pianisten Marc Copland enthusiastisch empfangen (s. nrwjazz-Review), wo der Weltklasse-Gitarrist John Abercrombie bereits die neue CD seines Quartetts ankündigte: Up and Coming - unlängst in gleicher Besetzung zusätzlich mit Drew Gress am Kontrabass und Joey Baron am Schlagzeug bei ECM erschienen. Gitarre und Klavier als zwei Harmonieinstrumente „harmonieren“ nicht ganz selbstverständlich in einem Quartett, bei Abercrombie und Copland ist dies jedoch etwas absolut Selbstverständliches: Die beiden schon Jahrzehnte gemeinsam musizierenden Künstler passen – so ist bereits nach dem ersten Hören der CD klar – perfekt zusammen, sie sind bestens eingespielt. Sie legen eine große Konvergenz im Harmonischen, ja eine traumwandlerische Komplementarität in der Improvisation an den Tag, die nur Musikern gelingt, die sich sehr gut kennen, die sich trotz jahrzehntelangen Zusammenspiels gegenseitig gut zuhören und telepathisch aufeinander eingehen können, die ihrem Zusammenspiel immer wieder neue Wendungen und Ideen verleihen. Dies gilt auch für die „Erweiterung“ im Quartett: Drew Grass hat in unterschiedlichen Besetzungen mit den beiden Ausnahmemusikern gespielt, er fügt sich wunderbar in die unaufgeregte Unaufdringlichkeit, die Copland und Abercrombie eigen ist. Auch auf den jüngeren Joey Baron an den Drums trifft dies zu. Beide Begleiter – bis auf wenige kurze Bass-Soli – halten sich eher im Gruppen-Sound zurück, dieser wird maßgeblich bestimmt von Abercrombie und Copland.

Der intime Opener Joy entwickelt kantable Linien, die Gitarre und Piano in kaum merklich zeitversetzter Weise subtil aufeinander beziehen lassen. In rhythmischer Offenheit entsteht eine im Titel angelegte Freude, eine introspektive Verzückung. Flipside gestaltet sich zupackender, wenn man dies bei einem eleganten Gesamtsound der zurückhaltenden Untertreibung überhaupt so nennen kann, der der gesamten CD eigen ist. Der Swing markiert eine fließende Reise – vom Walking Bass und den dynamischen Drums unterstützt. Das titelgebende Stück folgt auf den langsamen Walzer Sunday School, Up and Coming ist ebenfalls stark vom Melodischen geprägt und gibt Marc Copland die Gelegenheit zu wunderbar perlenden Läufen. Das ebenfalls beim domicil-Konzert gespielte Tears entfaltet in der Quartett-Besetzung ein ähnlich melancholisch-dramatisches Dunkel, ein Bass-Solo unterstützt diese Farbe. Insgesamt erlangt das Quartett damit eine ätherische Entrücktheit. Den Miles-Davis-Klassiker Nardis verwandeln die Vier kunstvoll in eine eigene Komposition, obwohl in der stark meditativ ausgerichteten Version der „klassische Kern“ deutlich (wieder-)erkennbar bleibt. Auch das letzte Stück Jumbles ergeht sich in melodieseligem Schwelgen. Das von Marc Copland verantwortete Silver Circle kann als das beste Stück der CD gelten: Bereits der Bass-Groove zu Beginn bereitet ein rhythmisch zupackendes und variierendes Spiel aller vier Musiker vor, eine eingängige Melodie entfaltet sich, die von Gitarre und anschließend dem Piano in eine luzide Improvisation, in eine Magie des Schönklangs überführt wird.

Insgesamt verströmt Up and Coming einen in der Tat aufstrebenden, nahezu sakralen Geist, die Musik ist durch eine elegant-kontemplative Meisterschaft gekennzeichnet. Allerdings bereitet einem das Schwelgen von Piano und Gitarre in schier endlos variierten Melodielinien und Harmonien fast eine zu starke Dosis Schönklang, nach mehrmaligem Hören lechzt man nach einem kräftigen rauen Gegenpol dazu.

John Abercrombie Quartet: Up and Coming. ECM 2528

Suche