Trio Colores
En Coleur
TEXT: Stefan Pieper |
Die Emanzipation von Instrumenten aus ihren traditionellen Rollen ist ein fortwährendes Thema in der Musik der Gegenwart. Besonders Schlagwerker, die sich für eine klassische Laufbahn entschieden haben, spüren, sobald sie in einem Sinfonieorchester eine der begehrten Stellen erhalten, die Schranken ihrer instrumentalen Bestimmung: Meist im hinteren Teil des Orchesters positioniert, warten sie auf ihren Auftritt in den Momenten, die Komponisten für sie vorgesehen haben. Doch auch Lukas Staffelbach, Fabian Ziegler und Matthias Kessler, getrieben von der Sehnsucht nach künstlerischer Selbstverwirklichung, strebten von Beginn ihrer Studienjahre an nach mehr. Bereits 2019 gründeten die jungen Musiker aus Österreich und der Schweiz das Trio Colores. Als Resultat ihrer leidenschaftlichen Arbeit dreht das Album En Couleur nun konsequent die Spielregeln musikalischer Rollen-Konventionen um: Jetzt dürfen Dirigent, Streicher und Bläser mal zu Hause bleiben, denn die drei Schlagwerker sind ganz auf sich allein gestellt - und werden mit Bravour auch komplexestem sinfonischen Repertoire gerecht.
Für die Umgestaltung großer klassischer Werke haben Staffelbach, Ziegler und Kessler keinerlei Mühen gescheut. Mit einer Präzision und Kunstfertigkeit, die ihresgleichen suchen, entlocken sie einer Vielzahl von Schlaginstrumenten – von Marimbas und Vibraphonen bis hin zu Glockenspielen und Metallplatten – eine Farbpracht und Tiefenschärfe, die selbst den größten orchestralen Werken nicht nur gerecht wird, sondern diese in ihrer ganzen Schönheit erweitert. Dahinter steht eine meisterhafte Handhabung der Instrumente gepaart mit einem kreativen Weitblick, der staunen lässt.
Bereits das erste Stück, Camille Saint-Saëns’ morbide-sinnliche Danse Macabre, zeigt, wie virtuos und einfallsreich das Trio arbeitet. Mit packender Präzision entfalten sie die düsteren, gespenstischen Melodien des Werkes und setzen dabei ein brillantes Klanggewebe aus Metallen, Hölzern und Dämpfungen, das den Mythos von Tod und Tanz lebendig werden lässt. Der Tod, dieser klappernde, dämonisch herumtanzende Geist, wird mit seinem scheppernden Xylofonklang aus der Orchesterversion fast greifbar, und die Musik klingt in neuem, fesselndem Glanz.
Originale in fantasievoller Übersetzung
Das Trio übersetzt das Original, ohne die wesentlichen Details zu verlieren, und fügt dem Werk neue Dimensionen und Perspektiven hinzu. So etwa in der Toccata von Germaine Tailleferre, die ursprünglich für zwei Klaviere konzipiert wurde und hier in einer fast meditativen, minimalistischen Form auf dem Vibraphon und den Marimbas neu interpretiert wird. Das Stück ist ein Paradebeispiel für die handwerkliche Präzision, mit der das Trio jede noch so feine Nuance der Komposition einfängt. Die rhythmische Kraft des Originals wird durch die Resonanz und Textur der Schlaginstrumente auf eine fast körperliche Weise spürbar – von den harten, brillanten Tönen der Marimba bis zu den flimmernden, schillernden Nuancen des Vibraphons.
Claude Debussys Petite Suite wirkt im Vergleich fast zurückhaltend, beinahe introvertiert. Hier lebt die große Kunst der feinen Klangnuancen, zu denen Schlaginstrumente ebenfalls fähig sind – und das macht auch vor der impressionistischen Zartheit Debussys keinen Halt. Die Holzplatten und Metallkörper werden hier zu einer Art „Klangfarbe“, die die subtilen Schattierungen der Komposition einfühlsam einfängt und in eine neue Dimension hebt.
Das Finale des Albums bringt dann den jazzigen Schwung von Darius Milhauds Scaramouche, das ursprünglich für zwei Klaviere geschrieben wurde und hier in einer einzigartigen Neuinterpretation für Schlaginstrumente sprüht vor Vitalität. Das Werk ist von vielen Errungenschaften des frühen 20. Jahrhunderts inspiriert, unter anderem dem Ragtime, und entfaltet in dieser Version eine pulsierende Energie, die von den drei Musikern perfekt eingefangen wird. Die Herausforderung, die Arbeit von insgesamt vier Pianistenhänden auf nur drei Musiker mit ihrer großen Schlagwerkkunst zu übertragen, wird souverän gemeistert. Ständig müssen künstlerische Entscheidungen getroffen werden – und auch hier zeigt sich die beeindruckende Souveränität und Flexibilität des Trios.
Wer nun Lust hat, sich an den besinnlichen Feiertagen die klanglichen und dynamischen Potenziale der eigenen Musikanlage auszureizen, sollte sich dieses Album unbedingt noch vor den Festtagen besorgen. Die vielen sinnlichen Klangerfahrungen, die dieser Tonträger bietet, werden definitiv keine Erwartungen enttäuschen!
Im nächsten Jahr geht das Trio auf große Konzerttournee mit diesem Programm – wir werden am Thema dranbleiben.