Transorient Orchestra
Transorient Express
TEXT: Stefan Pieper |
Der Orient-Express, einst ein berühmtes Vehikel für Fernweh und Sehnsucht, stellte Anfang der 2000er Jahre endgültig seinen Dienst ein. Er rollt jedoch nicht nur in legendären Filmen weiter, sondern auch in der Musik. Aktuell nimmt er gerade wieder Fahrt auf, nämlich auf dem neuen Album „Transorient Express“ des im östlichen Ruhrgebiet beheimateten Transorient Orchestras. Dichte Rhythmusgeflechte nähren sich hier aus Jazz, gepaart mit östlichen Rhythmen und arabischen Melodien, persischen Klangfarben sowie Einflüssen aus Balkan, Rock und Folk. Alles findet hier mühelos zueinander, weil die Lust am gemeinsamen Musikmachen ein verlässliches Bindeglied ist.
Hier kommt etwas in Fahrt
Kurz nach der Abfahrt eröffnen sich auch Blicke aus den Fenstern auf vertrautere Gefilde: Im deutschsprachigen Volkslied "Vögelein" bringt die Flötistin, Saxofonspielerin und Sängerin Nikola Seegers ihre weiche Altstimme sowie ihre bemerkenswert virtuose Pfeifkunst lautmalerisch zum Einsatz. Der transorientalische Express mit dem fernen Isfahan als Ziel, kommt dann so richtig in Fahrt - nicht zuletzt, weil Andreas Heusers ausgefeilte Arrangierkunst die Weichen für das temperamentvolle Spiel aller Beteiligten stellt. Die einzelnen Sätze der Transorient Suite waren vorher schon einzeln veröffentlicht worden und nährten die Vorfreude. Auf dem Take 5 Festival erklang zum ersten Mal das neue Werk im Ganzen. Jetzt bildet es in voller Länge den Höhepunkt dieses Albums. Verführerisch improvisiert zunächst die Ney, gespielt von Rageed William, dabei erinnert der schleppende Rhythmus an den Drehtanz der Sufi-Derwische. Ramesh Shotham , der bereits mit Rabih Abou Khalil und dem Karnataka College of Percussion Berühmtheit erlangt hat, erzeugt pulsierendes Trommelfeuer im Konsens mit Fethi Ak, dem Meister auf der türkischen Darbuka. Die beiden Schlagzeuger Benny Mokross und Volker Sipplie sorgen für den rhythmischen Antrieb untenrum.
Ein echtes Solisten-Ensemble
Hinter jeder Kurve dieser Fahrt überraschen neue instrumentale Offenbarungen, gerade weil das Transorient Orchestra zum echten Solisten-Ensemble wird durch seine beeindruckende Bandbreite an talentierten Musikerinnen und Musikern. Neben den oben genannten sind das Andreas Heuser an der Gitarre, Antje Vetter an der Violine, Rageed William an der Nay und Duduk, Yavuz Duman an Trompete und Flügelhorn, Catrin Groth am tiefen Baritonsaxophon, Kazim Calisgan an der Kopuz, Percussion und Gesang, Sahbi Amara an der Oud und Gesang sowie Kioomars Musayyebi am Santur. Den Bass spielt Jens Pollheide, der einst mit dem legendären Musikerkollektiv Embryo nach Maghreb und Vorderasien aufbrach. Im Vergleich zum einstigen, meist frei improvisierenden Embryo-Kollektiv bevorzugt das Transoriental-Orchestra eine deutlich jazzigere Gangart. Das lenkt die ganze Vielfalt in sichere Bahnen, um auch auf dem Weg zu jedem noch so fernen Sehnsuchtssziel nie zu entgleisen.