Thorsten Töpp und Christofer Varner

Der Gitarrist Thorsten Töpp und der Posaunist Christofer Varner nehmen es miteinander auf - und das kann manchmal ganz schön heftig werden. So will es ja das Credo von George Lewis, welches auf dem Cover dieser neuen, frei improvisierten Duo-CD für das Tonkunstmanufaktur-Label abgedruckt ist: "Do the Shout - Fuck the Response".

Der amerikanische, in München lebende Posaunist reizt bei dieser Duobegegnung alle physischen Register der Posaune aus. Der Duisburger Gitarrist "antwortet" auf elektrischen und akustischen Gitarren in einer mindestens ebenso ausufernden Ausdrucks-Bandbreite. Diese Dialoge erheben das Geräuschhaft-Physische zum Material, aber darin wohnt eine Rhetorik auf höherer Ebene, welche die Klang-Konfrontationen der beiden Musiker zum intelligenten musikalischen Kunstwerk werden lässt. Damit die Verdinglichung auf einem Tonträger über die Impro-Session hinauswächst, wurde das Material in strenger Logik strukturiert und zu einzelnen musikalischen Gruppen gebündelt. Das passt zur Philosophie des Labelbetreibers Claudius Reimann , wenn es darum geht, aus einer Momentaufnahme heraus etwas Bleibendes zu schaffen.

Überlegener Erfahrungshorizont als Vokabular

Ein sicheres Kapital ist der Erfahrungshorizont der beiden Musiker: Thorsten Töpp ist als Gitarrist, Komponist, aber auch als Hörspielautor und Veranstalter breit aufgestellt und hat überdies bei Wolfgang Rihm und Heiner Goebbels studiert. Die künstlerische Bandbreite des Duisburgers ist dementsprechend immens. Christofer Varner ist ebenso breit aufgestellt: Einst begann der Posaunist in Salsa- und Zirkusbands, bevor es ihn seit den 1990er Jahren in die Neue Musik hinein zog. Er entwickelte eigene Spieltechniken, unter anderem mit Didgeridoos und Muscheln, die auch auf dieser Aufnahme zum Einsatz kommen. Auch hat er unter vielen anderen mit Peter Brötzmann, Barry Guy und George Lewis musiziert. Heute lehrt er am Pestalozzi-Gymnasium in München und leitet die dortige Bigband.
Hörbares Fazit auf dieser CD: Wenn zwei erfahrene Charaktere mit manchmal durchaus extremen künstlerischen Mitteln ins Gespräch kommen, gibt es viel zu sagen. Oder andersherum: Die ausdifferenzierten Gesten dieser frei improvisierten Musik bestätigen diese als künstlerische Gattung, in der vor allem jene überzeugen können, die vorher schon andere musikalische Daseinssstufen durchlaufen haben.

Aufgenommen wurde in der Duisburger Kirche Sankt Ludger. Das erklärt die überzeugende räumliche Abbildung der beiden Instrumente beim Hören. Denn für freies Spiel, bei der sich das unmittelbare Klangereignis mit allen Nebeneffekten und Schwebungen künstlerisch emanzipiert, ist die beste Aufnahmetechnik gerade gut genug.

Tonkunstmanufaktur 2023