The Toughest Tenors “well-kept secrets“
tough oder cool?
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Octason Records
So richtig Tough finde ich diese Tenors nicht. Nice & easy, der Titel des ersten Songs, würde besser passen. Doch ganz so easy hat es sich diese Berliner Band mit ihrer dritten CD nicht gemacht. ‚Well-kept secrets‘ heißt sie. Secrets? Da ist was dran, denn die Stücke gehören nicht zu den Jazz-Hits. Da gibt es schon etwas zu entdecken.
Das Album wurde Anfang April veröffentlicht. Die Band spielt mit Vorliebe Stücke aus den 60ern. Obwohl der Band-Name auf Hard Bop hindeutet, klingt die Musik oft eher cool-bluesig wie in Idle Moments und That’s all.
- Die Band
Im Zentrum stehen die beiden Tenor-Saxofonisten Bernd Suchland und Patrick Braun. Mit dem ersten Stück Nice & easy swingt man sich gut ein und wird an den Komponisten Johnny Griffin erinnert. Griffin war mit Eddie "Lockjaw" Davis Anfang der 60er oft als Tenorsax-Duo aufgetreten, ein Vorbild für die Berliner Tenors? In anderen Stücken denkt man eher an Lee Konitz und Wayne Marsh, auch wenn Konitz Alt spielte.
Bernd Suchland und Patrick Braun haben ihre Parts gut aufgeteilt, sie spielen manchmal synchron, dann wieder im Wechsel, in Solo-Parts, insgesamt sehr virtuos. Doch wenn die Combo nach den Saxes benannt ist, was bleibt da für den Groove? Nicht viel. Am meisten Spielraum hat Dan-Robin Matthies am Piano, der in einigen Stücken, z. B. in Melba’s Mood melodische Soli einbringt. Lars Gühlcke am Bass ist mit zwei Soli dabei, schön auch in Idle Moments. Der Drummer Ralf Ruh hat sein Pflicht-Solo in Why I was born, darf bei den Intros auch mal mitmischen und das war‘s dann.
So werden die Groove-Musiker zur Begleitband, ich finde das schade, auch weil die massive Präsenz der Tenöre auf die Dauer ermüdet.
- Die Musik
Bei der Titelliste macht es Sinn auch auf die Komponisten zu schauen. Johnny Griffin wurde schon genannt. Melba Liston ist als Komponistin von Melba’s Mood vertreten. Diese schwarze Posaunisten war in den 60ern eine der wenigen Frauen im Jazz und spielte u. a. in Quincy Jones‘ Big Band. Wenn man ihr auf YouTube zuhört, muss man allerdings feststellen, dass die Expressivität ihre Posaunenspiels über die Saxes nicht rüberkommt. Gene Ammons, selbst ein berühmter Tenorist, hat Tubby komponiert, das die Band sehr ‚authentisch‘ spielt. Das gilt auch für Star Eyes (Raye/de Paul) und Scram (McDuff), ähnlich könnten die Songs von einer Combo mit Gerry Mulligan geklungen haben.
Why I was born von Jerome Kern fällt etwas aus der Reihe, es wurde schon 1929 komponiert und ganz unterschiedlich interpretiert, z. B.von Billie Holiday, Coltrane/Burrel und Sonny Rollins. Tough klingen die Tenors auch hier nicht, eher unterhaltsam, locker, unverbindlich.
Nun muss ja nicht alles wie früher im Original klingen. Für meinen Geschmack klingt aber alles zu glatt, zu einstudiert, kein Jazzkeller-, sondern Sonntagsvormittags-Jazz. Ich kann mir vorstellen, dass die Band live ganz anders klingt und man sie anders wahrnimmt, wenn man ihr beim Spielen zusehen kann. Eine Gelegenheit wäre der 23. Oktober im Dortmunder Domicil, hoffentlich wird es was.
Label: Octason Records
Katalog Nr. OSR-21902
Vertrieb: Pool Music
Release 3.4.20