The New Woody Shaw Quintet
Live at Onkel Pö`s Carnegie Hall
TEXT: Peter E. Rytz |
Shaws Hamburger Moondance-Replik
Mitte der 1970er Jahre ist Onkel Pö Zentrum der Hamburger Szene. Sein Gründer, Peter Marxen (1939 – 2020) gelingt es, Musiker unterschiedlichster Genres von Rock, Pop bis Jazz zu Sessions und Konzerten nach Hamburg-Eppendorf einzuladen. Onkel Pö wird Szeneort und Kult in Hamburg. Nicht zuletzt popularisiert Udo Lindenberg mit der Textzeile Bei Onkel Pö spielt ne Rentnerband seit zwanzig Jahren Dixieland aus seinem Song Alles klar auf der Andrea Doria diesen Ort.
Die Kneipe, mit 200 m2 Platz für kaum mehr als 150 Gästen, entwickelt eine geradezu magische Anziehungskraft für Musiker unterschiedlicher Couleur. Auch Jazzmusiker lassen sich von der besonderen Atmosphäre dieses Raumes und seiner Nudelbrettbühne am Lehmweg in Eppendorf inspirieren.
1979 spielt das Woody Shaw Quintet (Woody Shaw, tp, flgh); Carter Jefferson, sax; Onaje Allan Gumbs, p; Stafford James, b; Victor Lewis, dr) dort ein Konzert, das selbstbewusst mit Woody Shaw at Onkel Pö‘ Carnegie Hall veröffentlicht ist. Vergegenwärtigt man sich, wie die technischen Voraussetzungen an diesem Ort damals für eine LP-Aufnahme waren, beeindruckt das Ergebnis. Damals von Michael Naura im Auftrag des NDR aufgenommen, jetzt von John Cremer als CD remastert, lässt angesichts des differenziert zu hörenden Sounds staunen.
Shaws Introduktionen als Blues inspirierte Offerten mit der Trompete sowie besonders beeindruckend mit dem Flügelhorn an seine Musiker – Some other Blues – zeigen ihn auf dem Zenit seines Könnens. 1978 mit Moondance, von Downbeat als Album des Jahres geadelt, gestartet, markiert er ein Jahr später mit diesem Konzert seinen unnachahmlichen Sound.
Mit filigraner Virtuosität formt er Tonfolgen, die sich zu einem furios basierten Shaw-Sound verdichten. Ein Flirren und Flimmern, authentisch und intensiv, kraftvoll ohne vordergründig zu kraftmeiern, ruft die CD einen Musiker in Erinnerung, der fehlt. Woody is missing titelt mit Michael Laages seinen CD-Einführungstext treffend.
Man mag über die musikalischen Qualitäten der einzelnen Musiker unterschiedlicher Meinung sein; Shaw hat die Besetzung immer wieder verändert. Während Gumbs Pianospiel kaum nachhaltige Akzente setzt - allein mit seiner Komposition It all comes back to you ahnt man, was hätte noch kommen können - sowie Jeffersons Saxophon, geboren aus der Tradition von Art Blakey, das letzte Driving Ahead fehlt, sind James und Lewis verlässliche Sound-Multiplikatoren mit dem Gespür für seinen speziellen Charakter.
In a capricornian way entwirft Shaw eine Sound-Collage, die Assoziationen an die Skulptur Capricorn (1948) von Max Ernst vielschichtige Assoziationen evoziert. Es scheint, als würde Ernst‘ skulpturaler Esprit Shaws Leben (1944 – 1989) einem Impuls gleich seinen kreativen Weg schon vorzeichnen. In der überlebensgroßen, stierköpfigen Figur, die königgleich ein Zepter in der Hand hält, spiegelt sich, wenn so will in metaphorischer Überhöhung die Figur des Woody Herman Shaw Jr. Übersetzt in der Jerome Kerns Komposition In All the things you are, ist dem nichts hinzu zu fügen. Einfach nur hören – und staunen.
Peter E. Rytz, 15.01.2021
CD
The New Woody Shaw Quintet
At Onkel Pö's Carnegie Hall/Hamburg 1979 Vol. 1
jazzline