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Tamara Lukasheva

Anima

Köln, 02.07.2024
TEXT: Stefan Pieper | 
Tamara Lukasheva 's neues Werk "Anima" ist nicht nur ein musikalisches Meisterwerk, sondern auch eine kraftvolle Antwort auf den Krieg in der Ukraine. "Ich war direkt laut und habe Dinge organisiert und wir haben viel gespielt. Man muss das Leben bejahen und weiterführen. Das ist auch eine Art von Widerstand," erklärt Lukasheva ihre Motivation.
"Anima", lateinisch für "Seele", wurde mit dem INSO Lviv Orchestra in Lviv aufgenommen - einer Stadt, die trotz Kriegsbedingungen kulturell lebendig bleibt. Das Album verbindet deutsche und ukrainische Kulturelemente, ein Spiegel von Lukasheva's eigener Biographie zwischen zwei Welten. Die Eröffnung erinnert an eine Beethoven-Sinfonie, bevor Lukasheva Clemens Brentanos "Singet leise" interpretiert. Durch den sinfonischen Apparat erfährt das Stück eine Metamorphose, die Lukasheva's Anliegen verdeutlicht, Kulturgut ihrer deutschen Wahlheimat mit ukrainischer Musik zu verschmelzen.
Lukasheva's Vielseitigkeit zeigt sich in ihrer Rolle als Jazz-Sängerin in drei Sprachen, von zart-empfindsam bis wütend kämpferisch. Ihre virtuosen Vokalisen und Scat-Einlagen bilden bemerkenswerte Duette mit Trompeter Matthias Schriefl, einem langjährigen Weggefährten. Im Stück "Spovit" entfaltet das Orchester das Temperament einer Rockband ohne externe Rhythmusgruppe - ein wichtiger Aspekt für Lukasheva, die ihre Musik konsequent sinfonisch neu gedacht hat. Die Kriegserfahrungen fließen direkt in die Musik ein. "Lullaby for Kira" basiert auf einem Gedicht von Antonina Kornuta, einer Menschenrechtsaktivistin in der ukrainischen Armee. Es ist einem Baby gewidmet, das bei einem russischen Raketenangriff in Odessa getötet wurde. Lukasheva erklärt: "Das schockierte uns sehr. Ich kenne die Nachbarn dieser Familie. Dass auch an Ostern, das ebenso in der russisch-orthodoxen Kultur gefeiert wird, die Angriffe nicht pausierten, zeigt die ganze Brutalität."
"Coming Home" beschreibt ein Ankommen bei sich selbst, besonders wichtig angesichts der Zerstörung der physischen Heimat. "A Clear Moon", basierend auf einem Text des verstorbenen Alexander Velich, beschreibt den Mond als friedliches, Zuversicht stiftendes Symbol - ein Kontrast zur Kriegsrealität. "Para Mariao" treibt mit pulsierendem Ostinato-Rhythmus voran und zeigt erneut die symbiotische Verbindung zwischen Lukasheva's Vokalisen und Schriefls Trompete. Es verkörpert den Glauben an die Kraft der Musik, Emotionen auszudrücken und Menschen zu vereinen - ein zentrales Anliegen des Albums.

Lebensbejahung und Widerstand

Lukasheva arrangierte und orchestrierte alles selbst, basierend auf ihrem klassischen Hintergrund und ihrer Leidenschaft für Orchesterklang. Sie nahm sich viel Zeit für das Einspielen mit dem ukrainischen Orchester unter Leitung von Roman Kreslenko. Viele der jungen Orchestermitglieder bringen ihre einschneidenden Kriegserfahrungen indirekt in die Darbietung ein, was der Musik eine zusätzliche emotionale Tiefe verleiht. Die Entstehung des Albums war selbst von den Kriegsumständen geprägt. Lukasheva organisierte das gesamte Projekt eigenhändig, einschließlich eines Crowdfundings zur Finanzierung. Die Aufnahmen in Lviv fanden unter erschwerten Bedingungen statt, mit der ständigen Bedrohung durch Luftangriffe im Hintergrund.
"Anima" ist mehr als ein musikalisches Werk - es ist ein Statement des Widerstands und der Lebensbejahung in Zeiten des Krieges. Es zeigt Lukasheva als vielseitige Künstlerin, die Jazz, Klassik und ukrainische Traditionen zu einem einzigartigen Ganzen verschmilzt, während sie gleichzeitig auf die Schrecken des Krieges aufmerksam macht und Hoffnung vermittelt.
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