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Stefan Sprang

Fred Kemper und die Magie des Jazz

Gelsenkirchen, 01.10.2011
TEXT: Bernd Zimmermann | 

Wenn es in einem Buch um einen leidenschaftlichen Jazzmusiker geht und die Geschichte gleichzeitig im Ruhrgebiet spielt, sind dies schon allein zwei trifftige Gründe diesen Roman bei ruhrjazz.net vorzustellen.

Bei der Lektüre des Romans "Fred Kemper und die Magie des Jazz" des Essener Autors Stefan Sprang, erschienen im Bottroper Henslowsky Boschmann Verlag, kommt ein weiterer trifftiger Grund hinzu: Der Roman ist gut, er ist sogar richtig gut.

In wenigen Stunden beginnt das Jahr 2000. Der ehemalige Jazzmusiker Fred Kemper ist in Oslo angekommen. Sein Leben als Lehrer mit Frau und Zwillingen in einer deutschen Reihenhaussiedlung ist gescheitert. Die Ehe steht vor dem Aus, sein Alltag an der Schule quält Fred. Schon viel zu lange versucht er, seinen Frust im Alkohol zu ertränken. Aber Fred ist entschlossen, neu anzufangen: In Norwegen will er herausfinden, wie es weitergehen soll mit ihm und seinem Leben. Und er will nach Jahren die große unerfüllte Liebe seines Lebens wiedersehen, die Jazzsängerin Lilli.
Aufgewachsen ist er in den 60er Jahren in einer Zechensiedlung irgendwo im Ruhrgebiet. An einem Spätsommertag 1967 – kurz zuvor ist der legendäre Jazzsaxophonist John Coltrane gestorben – hört der Dreizehnährige durch Zufall ein Stück von Coltranes „Ballads“-Platte: „You don’t know, what love is“. Die Musik und vor allem der Sound des Saxophons faszinieren ihn. Fred beginnt mit aller Macht, seinen Traum zu träumen: Auch er will Saxophonist werden. Viele Jahre übt er besessen, bis er seinen ersten Auftritt bei einer Jazzsession wagt. Das Publikum feiert Fred als herausragendes Talent. Zusammen mit den Session-Musikern gründet er das „Fred Kemper Quartett“, das in der Szene zu einem Geheimtipp wird. Nebenbei schließt Fred ein Lehrerstudium ab, das er seinen Eltern zuliebe begonnen hat. Als der Bassist des Quartetts stirbt und seine neue Freundin Sonja Zwillinge erwartet, muss Fred sich entscheiden: Will er versuchen, als Musiker weiterzukommen und seine Familie durchzubringen, oder wählt er eine bürgerliche Existenz als Lehrer? Als ein Neuanfang greifbar scheint, trifft ihn das Schicksal hart ...

Stefan Sprang sagt von sich, dass er kein Musiker sei, nicht einmal Noten könne er lesen, der Quintenzirkel sei für ihn mehr Quantenphysik als Musik. "Ich bin, was Theorie und persönlich ausgeübte Praxis angeht, komplett unmusikalisch. Und ich bekenne mich dazu. So wie zu meinem Traum, den ich habe, seit ich vierzehn bin: Damals habe ich im Musikunterricht den Jazz entdeckt. Ich habe begonnen, Jazz im Radio zu hören, Platten zu kaufen, in Konzerte zu gehen und Clubs. Ich habe versucht, keine Jazz-Session in meiner Stammkneipe zu verpassen. Denn immer habe ich all jene beneidet, die sich dort auf der kleinen Bühne versammelten und einfach anfingen, zusammen Musik zu machen. Musik, die die Menschen, die sich vor dieser Bühne drängten, bewegte – ohne Umweg über eine Sprache, die viele Worte braucht, um Gefühle ausdrücken zu können. Mit diesem Roman konnte ich mir zumindest dank der Worte jenen Traum erfüllen: selber ab und an auf einer Bühne zu stehen und Saxophon zu spielen."

So recht glauben mag man ihm das bei der Lektüre dieses Buches nicht, denn Sprang beschreibt so kompetent und in einer so wunderbaren bildhaften Sprache den Jazz, dass die so umschriebenen Stücke im Kopf des Lesers zum Klingen beginnen. Er schafft es, über den Weg des Wortes, von dem er selbst behauptet dass dies ein Umweg sei um Gefühle auszudrücken, beim Leser einen neuen, tieferen Zugang zum Jazz zu ermöglichen.

Dieses Buch, eine gute JazzCD und ein Gläschen Rotwein verschafft dem Leser ein so sinnliches Vergnügen, dass man sich wünscht es hätte mehr als nur 256 Seiten.

Leseprobe:

Fred genoss die langen Bögen, in denen er seinen besonderen Ton entfalten konnte, der heiter war in der einen und schon wieder melancholisch in der nächsten Sekunde - mal kühl und mal warm, mal misstrauisch und mal zuversichtlich. In seinen besten Momenten ließ er all diese Gefühlslagen zusammenklingen in einer einzigen Note: "Why I Was Born?" - Er eröffnete das Gespräch freundlich und gelassen, stieg eine Stufe höher und kreierte einen leichten Wind, einen kreiselnden Wind, der die Ähren auf einem Feld kräuselte und in Wellen sich neigen ließ in immer neuen Formationen. Das war das Bild gewesen, das Fred als Erstes vor Augen hatte, als er "Why I Was Born" hörte. Eine Landschaft, auf die man blickt aus dem Schatten eines Baumes auf einem kleinen Hügel, eine Landschaft, die der Wind streichelt, ein Bild, das man kitischig oder anrührend finden konnte. So, wie man auch die Frage auffassen konnte "Why I Was Born?".

Verlag | Fotos: Verlag Henslowsky Boschmann

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