Stefan Piepers Hörsession Vol. 1
Interessante Neuerscheinungen
TEXT: Stefan Pieper |
Unser Autor Christoph Giese hat es vorgemacht, über viele Platten im Schnelldurchlauf zu informieren und zu urteilen. Wir denken, dass ein solches Format (incl. Reinhörmöglichkeit) nicht nur für uns, sondern auch für unsere Leserschaft praktikabel ist. Eine ausführliche Besprechung über ein neues Release soll dies aber auch künftig nicht ersetzen. Ich nenne es für mich jetzt mal Hörsession. Und dies ganz spontan und subjektiv: Im Player bleibt und auf den Rezensentenschreibtisch kommt, was interessant ist!
Arthur Hnatek Static Trio
whirlwind records
Thema Schweiz: Immer wieder open minded und kreativ sind die Leute dort. Also legen wir los mit einem Trio des Schlagzeugers Arthur Hnatek: Circa 20x steht hinten drauf, dass der Bandleader Schlagzeuger ist. Und das ist auf jeden Fall Programm, wenn sich offenbart, was für ein mitreißender, kreativer Rhythmiker hier aufspielt. Hnatek baut skurille, kantige, aber auch extrem trippige Grooves auf. Das schenkt jedem Stück eine extrem coole, frische Architektur. Durchaus auch elektronisch und immer mit tiefem Bass geerdet. Die wundervolle andere Konstante in den Stücken: Saxofonist Francesco Gemininai spielt sich in langen, entrückten Melodien frei, dass es einfach nur die pure Wonne ist. So geht freigeistiger Triojazz, der über Tellerränder blickt.
Schroer/Bektas/Nebel Exit
Umland Records
Steht das Label Umland Records normalerweise in einem positiven Ruf, seine Hörer an neue ästhetische Herausforderungen heran zu führen, so liefert das Trio Schroer/Bektas/Nebel diesmal etwas ganz Charmantes, Sinnliches, Berührendes. Im Zentrum steht der stilistisch unglaublich wendige Oud-Spieler Ahmed Bektas, der weit mehr als „nur“ arabisch-andalusische Stilistik kann - auch wenn diese, und das ist gut so, ein wärmendes Zentrum darstellt. Kunstvoll melodiös, berührend, vielgestaltig sind die Stücke allemal. Eine ausgiebige Rezension wird noch folgen...
La Nuée
Umland
Nochmal Umland – denn kaum ein Label (auch jenseits von NRW) haut mehr ästhetische Überraschungen am laufenden Band raus! Mehrere Saxofone, nebst Schlagzeug zollen hier mal nicht der sonst im Jazz üblichen Praxis Tribut, so viele Töne wie möglich zu erzeugen – hier passiert genach das Gegenteil! Aus diversen Geräuschprozessen entwickelt das Brüsseler Saxofonkollektiv La Núee im Grunde genommen einen „Ur-Ton“, einen komplexen Gesamtzustand mit mächtigem Steigerungspotenziel. Vor allem das dritte, dreißigminütige Stück „Le depart“ türmt einen kolossalen Klangrausch auf. Es lohnt sich, sich meditativ in die Geräuschprozesse hineinzuhören, die in tosendem, eruptiven Crescendo immer mehr Fahrt aufnehmen.
Windisch Trio Pros and Cons
jazzthing next generation (challenge records)
Was geht in Berlin? Der Pianist Julius Windisch kommt hier mit Igor Spallati am, Bass und Fermin Melor am Schlagzeug zusammen – diesmal in Berlin, um mal eben im Rahmen der Reihe "jazz thing next generation" die Gattung des Klaviertrios aus gewohnten Angeln zu heben. Der hohe Anspruch, den Wolf Kampman in den Linernotes formuliert, wird vielleicht nicht für das ganze 21. Jahrhundert eingelöst, aber die Sache klingt allemal wunderbar frisch. Wie dem auch sei – neu und frisch muten die Kompositionen und die improvisierten Exkurse dieses Trios allemal an. Jedes Stück baut auf einem soliden Fundament auf, um dann aber in neue spannende Konstellationen zu entführen.
Christy Doran & Stefan Banz Aerosols
challenge records
Viele Menschen spielen gerne Gitarre – aber von ihnen zeigt schon langjährig der gesamten Zunft, wie es geht: Die Rede ist vom Schweizer Christy Doran, bei dem ein großer Erfahrungshorizont alles ist. Ob der Titel seiner Platte „Aerosols“ darauf hindeutet, dass auch er von den besonderen Bedingungen der letzten 20 Monate beeinflusst worden ist? Hier trifft er auf einen Kollegen am Instrument Stefan Banz. Und dieses Duett gestaltet sich so kreativ, dass hier eine Art Retrospektive gesammelter künstlerischer Ansätze vorlegt: Elektronisch, aber auch akustisch gehen viele solistischen Versuchsanordnungen zu Sache. Aber wo andere sich hier schnell in virtuosen oder abstrakten Gefrickel verlieren, verdichten Christy Doran & Stefan Banz Doran charismatische kompositorische Einfälle...
Das Kondensat 2
why play jazz
Zurück in Deutsche Gefilde: Das Kondensat nennt sich das aktuelle Trio von Gebhard Ullmann, Oliver Potratz und Eric Schaefer. Die aktuelle Trioplatte hält locker, was diese berufenen Namen versprechen. Die drei gehen auf zeitlos-unprätentiöse Gratwanderungen zwischen aufgeklärter Jazz-Ideomatik und Elektronik ohne jedes Klischees und aus jedem Ton sprechen Forschergeist und Spaß an der Sache. Gebhard Ullman tobt sich dabei als besessener Sopran- und Tenorspieler aus, oft gerne mit sich selbst im Loop-Dialog.
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