Stefan Karl Schmid & Lars Duppler
BLÍÐUR
TEXT: Vera Marzinski |
Einen ganz neuen, aufregenden Klangkosmos hat das Duo Stefan Karl Schmid und Lars Duppler entstehen lassen. Zwölf speziell komponierte Werke von beiden Musikern, sowie ein von Duppler arrangiertes Volkslied der isländischen Komponistin und Sängerin Bergþóra Árnadóttir spiegeln die einzigartige Atmosphäre des isländischen Winters wider und werfen damit einen intimen Blick auf das perfekt verflochtene und virtuose Spiel der Protagonisten.
Aufgenommen im berühmten Studio der Band „Sígur Rós“ in Mosfellsbær, entstanden die atmosphärischen Klanglandschaften. Die zeichnen sich aus durch nuanciertes Zusammenspiel und fesselnde Improvisationen, die sie in eigene Kompositionen und Arrangements sowie traditionelle isländische Musik umsetzen. BLIÐUR hat ein wenig den „Winterblues“, dieses natürliche, melancholische Stimmungstief, was in dieser Jahreszeit auftaucht. Um die kalten und grauen Tage zu überstehen, bis es wieder hell und heiter wird, kann man sich aber auch in die klangliche Vielfalt mitnehmen lassen, die Lars Duppler mit seiner Rhythmen-Vielfal am Klavier als Basis für Schmid schafft, der mit rauschigen Subtones viel Atmosphäre zaubert.
Wie ein hineinfallen lassen in die Klangwelt von BLIÐUR ist Frá liðnu vori. Perlende Klavierklänge und sanfte Töne des Saxophons. Es erzählt die Geschichte „vom vergangenen Frühling“ und stammt von Bergþóra Árnadóttir. Bliður ist die Zärtlichkeit. „Ein Hauch Melancholie meinerseits“, so Stefan Karl Schmid dazu. Es verströmt eine gewisse Traurigkeit – so als ob man am Fenster säße und in den nieselnden Regen hinaussehen würde. Eine Traurigkeit, die mit einer gewissen Romantik einhergeht und in dem Stück zwar gedämpft wirkt, aber irgendwie auch in lauernden Aufbruchstimmung daherkommt. Nur untermalend wirkt das Piano zunächst bei Illusionist, bevor es mit kurzen Tönen, den klanglichen Faden vom Saxophon aufnimmt. Wie zwei Zauberkünstler nehmen sie die Melancholie der beiden ersten Stücke weg. Hólfið bedeutet Kammer.
In presence of the absent wirkt sehr lyrisch. Ein Gefühl der Sehnsucht und der Erwartung scheint das Stück zu durchziehen. Sólsteinn ist der Sonnenstein, ein altes Navigationsgerät für die seefahrenden Wikinger. Die Steine sollen es ermöglicht haben, den Stand der Sonne zu ermitteln - auch bei Wolken und sogar eine Zeitlang nach Sonnenuntergang. Den Blick aufs Licht und auf die Richtung nicht verlieren, auch wenn es dunkel ist. Transformation of a star – dazu gibt es Part I und Part II – scheint wie ein Wandel auf BLIÐUR. Die Melancholie lässt nach, so als ob sich die Wolken beiseiteschieben – und ein Stern alles durchleuchtet. In Part II klingt das Saxophon wie ein wild summendes Insekt. Sehr treibend hinein in eine „flüchtige Vision“. Das ist auch der Titel des folgenden Stückes: Hverful sýn. Hier klingt die Gitarre von Hilmar Jenson zu Beginn sehr warm und freundlich. Die flüchtige Vision ist wie ein Lichtblick in den Reigen der Melancholie. Auch Klavier und Klarinette nehmen das auf.
Sadness bringt die Traurigkeit im wahrsten Sinne des Titels wieder hinein. Um eine Zwölf-Ton-Melodie handelt es sich bei Tuginn – übersetzt das „Duzend“. Der geht über in Augnablik und dieser Augenblick bringt wieder Leichtigkeit hinein. Wunderbares Zusammenspiel von Lars Duppler am Piano und Stefan Karl Schmid am Tenor-Saxophon. Die letzte und 13. Komposition auf der CD nimmt Nummer vier wieder auf, deshalb auch Hólfið Reprise.
Schon mit HRINGFERÐ entwickelten Lars Duppler und Stefan Karl Schmid ihren eigenen, intimen Sound, mit dem sie sich durch die Auseinandersetzung und das intensive Erforschen ihrer zweiten Heimat Island inspirierte zu neuen Werken und Klangbildern. BLIÐUR ist die zweite gemeinsame Veröffentlichung, bei der das Duo um den in Reykjavík lebenden Ausnahmegitarristen Hilmar Jensson (Jim Black AlasNoAxis, Andrew D´Angelo, Skúli Sverrisson) erweitert wurde.
HRINGFERÐ produzierten sie in Kooperation mit dem Deutschlandfunk Köln. Für BLIÐUR sind sie im Februar 2023 nach Island gereist, um dort das neue Album einzuspielen. Sowohl Duppler als auch Schmid sind Förderpreisträger der Stadt Köln und umtriebiger Bestandteil der nationalen Szene. Sie leiten ihre eigenen Projekte (Schmid’s Huhn, Lars Duppler unbound, SJOCGN) und agieren als gefragte Sidemen in unterschiedlichen Projekten (u.a. Jens Düppe Quartett, Shannon Barnett Quartett, Reza Askari ROAR).
Cover art by Philipp F. Trübiger
Photos by Marino Thorlacius
Produziert von Stefan Karl Schmid & Lars Duppler
Erscheinungstermin: 26. Januar 2024