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Simon Rose & Nicola Hein

Shug Monkey

Düsseldorf, 17.12.2018
TEXT: Uwe Bräutigam | 

Ein Shug Monkey ist ein Wesen mit dem Körper eines Hundes und dem Kopf eines Affen. Es stammt aus der jüngeren Folklore des englischen Bezirks Cambridgeshire. Alle Stücke auf der Duo CD von dem britischen Saxophonisten Simon Rose und dem Gitarristen Nicolas Hein haben als Titel Namen von hybriden Wesen aus der Mythologie. Wer nun kitschige New Age Musik erwartet, kennt die beiden Musiker schlecht.

Die beiden ersten Stücke haben einen industriellen Klang, als wären sie in einem Stahlwerk aufgenommen. Das Eröffnungsstück beginnt mit Rauschen, Dröhnen und Knattern, dann setzt ein Saxophon mit einzelnen Phrasen ein, es klingt wie eine Mundharmonika. Der Saxophonklang wird dann dichter und intensiver. Im zweiten Stück sind ebenfalls die industriell klingenden Geräusche sehr präsent, darüber werden tiefe Baritonsaxophonphrasengesetzt. Das Saxophonspiel wird wilder intensiver und schriller, ein exaltiertes Solo wird geblasen. Das Knistern und Klappern schraubt sich hoch und Simon Rose spielt schnelle intensive Free Jazz Passagen. Wobei es wegen des Geräuschpegels so gar nicht nach Brötzmann oder Parker klingt. Beide Stücke sind nach ägyptischen Göttern benannt: Thoth und Sekar, ein Mond- und ein Totengott, menschliche Gestalten mit Pavian- oder Ibiskopf und einem Falkenkopf.Die Stücke führen die Hörer*innen in ein intensives Zusammenspiel, von zwei unterschiedlichen Instrumenten mit spannenden Wendungen und Brüchen. Ägyptische Mythologie fällt einem dabei nicht unbedingt ein, eher Musik in einem Krupp Werk.

Das nächste Stück hat einen völlig anderen Charakter und besticht durch seine Zartheit. Gitarrenklänge, gebrochen durch Saxophonphrasen, zarte Klänge und ein leichtes Rauschen. Ein zerbrechlich feines Stück mit dem Titel Merman, dem männlichen Widerpart zur Mermaid. Der Merman kann Menschen durch seine schönen Melodien betören und ins Unheil führen. Dem Stück haftet allerdings nichts Unheilschwangeres an, im Gegensatz zu den nächsten Stücken., die etwas von Filmmusik Dramatik haben.

Ushi-oni beginnt mit schneller rastlosen Klängen von Gitarre und Saxophon, die Geräusche klingen nach Streichern und bauen eine Spannung auf, wie in einem Film, wenn etwas Gefährliches im Anzug ist. Es kommt immer näher, alles treibt einen Höhrpunkt zu, besonders das Saxophon, immer weiter, schrilles Überblasen und erst kurz vor dem Ende des Stücks löst es sich auf und ein kurzer Moment ist da Ruhe nach dem Sturm. Ushi-oni sind dämonische Wesen aus der japanischen Volkmythologie meist mit einem Ochsenkopf und eiem Spinnenleib mit Fangkrallen. Die Bedrohung durch diese bösartigen gefährlichen Wesen wird in der Musik sehr lebendig abgebildet. Ein Soundtrack für einen Horror Animefilm.

Woplertinger ist ein Stück mit lange gehaltenen Tönen, Saxphonphrasen, die an Tierstimmen in Aufruhr erinnern. Viele dichte Klänge, auch ein Stück mit unheilvoller Stimmung. Der Titel ist ein Schreibfehler, das in Bayern beheimatete Wesen des Volksglaubens ist der Wolpertinger, ein hybrides Wesen oft mit Hasenkörper und Geweih, manchmal auch mit Flügeln.

Das folgende Sharkdog klingt zu Beginn, als wäre ein Kontrabass im Spiel. Lange sich steigernde Klänge, die an- und abschwellen erzeugen eine drängende Stimmung. Dies ist das letzte Stück mit einer etwas unheimlich anmutenden Stimmung. Das Titelstück Shug Monkey hat einen völlig anderen Charakter. Immer schneller werdendes wildes Free Jazz Saxophonspiel mit heftiger Geräuschkulisse. Im Hintergrund taucht eine metalartige Gitarre auf. Es entsteht eine Assoziation zu Löwen, die sich um eine geschlagene Antilope streiten.

Mit Horseface wird die CD beendet. Tiefe lange vibrierende Töne, die sich wie eine Orgel anhören bilden den Anfang. Klänge tauchen auf und vergehen, Pausen entstehen, aus denen wieder neue Klänge aufsteigen. Klopfen, Unruhe, kurze Saxophonphrasen, Klopfgeräusche, hohe schrille Töne, schneller Hintergrundrhythmus, Laufen, Rennen. Es wird ruhiger. Mit Gitarrenklängen und tiefem Dröhnen endet das Stück.

Simon Rose und Nicola Hein bringen eine ungeheure Fülle an Material in diesem Album unter. Shug Monkey hat eine enorme Bandbreite an musikalischen Ideen, die diverse Stimmungen erzeugen. Mit erweiterten Techniken an den Instrumenten wird eine Klangfülle erzeugt, die weit über den gewohnten Klangbereich der Instrumente hinausgeht. Trotz der Vielfältigkeit ist das Album kein amorphes Patchwork, sondern hat eine große Schlüssigkeit. Ein gelungenes Stück Improvisationsmusik, das die Ränder musikalischer Genre auslotet und neue Gebiete erschließt.

Die hybriden Fabelwesen stehen allgemein für den Bezug von philosophischen Erwägungen und musikalischer Praxis. Beide Musiker beschäftigen sich mit den philosophischen und theoretischen Aspekten von Musik und insbesondere von Improvisation.

Simon Rose ist promovierter Musikwissenschaftler und hat mehrer Bücher über improvisierte Musik veröffentlicht. Sein letztes Werk trägt den Titel: The Lived Experience of Improvisation – In musik, learning and life. Nicola Hein ist Musiker und Philosoph, der sich intensiv mit der philosophischen Dimension seines musikalischen Schaffens auseinandersetzt.

Recorded – Studio Börne 45, Berlin

Mitwirkende

Altsaxophon, Baritonsaxophon – Simon Rose

Gitarre – Nicola L. Hein

Alle Stücke – Nicola L. Hein, Simon Rose

Producer – Ernesto Rodrigues

Recorded, Mixed und Mastered – Roy Carroll

Informationen und Bestellmöglichkeiten der CDs und Bücher:

https://nicolahein.com/

https://www.simonrose.org/

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