Simon Nabatov 3+2
Verbs
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
„Verbs“ heißt das neue Album von Simon Nabatovs aktueller fünfköpfiger Formation „3+2“, welches soeben auf dem Cleanfeed-Label erschienen ist. Erster Eindruck: Simon Nabatov, der umtriebige Kölner Ausnahmepianist, ist bei aller Konstanz beim hohen Qualitätslevel immer wieder für Überraschungen gut. Und das triff auch für seine fabelhaften Mitmusiker zu.
Auffällig ist zunächst die Besetzung: Sein „Kölner“ Trio mit Stefan Schönegg (b) und Dominik Mahnig (dr) ist um zwei Mitstreiter erweitert: Leonhard Huhn (as,cl) und Philip Zoubek (synth). Weiter sind die sieben Stücke des Albums nach Verben, und zwar in ihrer Imperativ-Form benannt – so erklärt es Simon Nabatov in den Liner-Notes. Offensichtlich sollen die Titel eine zusätzliche Interpretationsebene bieten. Und bei der Musik von Simon Nabatov ist der geneigte Zuhörer immer aufgefordert: intensiv zuhören!
Zwei Spielmodi
Bis auf „Breathe“ bestehen alle Titel des Albums aus reiner Gruppen-Improvisation, ein Bild, eine Vorgabe zum Genre oder zur Struktur dienten als jeweiligen Impuls dafür. Daraus entstanden sind zwei verschiedene Spielmodi mit einer für Nabatov nicht untypischen Mischung aus ruhig-rätselhaften Klangräumen auf der einen und hochenergetischen Eruptionen auf der anderen Seite.
Zur ersteren Gruppe gehören das langsam-besinnliche „Pray“ mit einem choral-artigen Unisono, die geheimnisvolle balladeske Klanglandschaft von Reveal oder das schwebend-verhaltene Converge mit seiner allmählich steigenden Dynamik - mit fast 12 Minuten das längste Stück des Albums. Ganz anders der Titel „Race“: ein energiegeladenes Uptempo-Stück mit kräftig vorwärtstreibendem Rhythmus, bei dem sich alle Instrumente nach Herzenslust austoben. In „Evolve“ setzt die Gruppenimprovisation immer wieder von neuem zu einem furiosen Tutti an. Bei „Float“ sind die Einzelstimmen jeweils stärker akzentuiert, der Tastenmagier zaubert in gewohnter Weise mit virtuosen Läufen und Akkordkaskaden. So auch in seiner Komposition „Breathe“, bei der er mit seiner kraftvollen Dynamik die Bandmitglieder mitreißt. Zu spüren ist eine ausgelassene Feierlaune, die in einen südamerikanisch anmutenden Sound mündet.
Intensives Interplay gleichberechtigter Bandmitglieder
Auffällig bei der gesamten Aufnahmesession aus dem Kölner Loft im letzten Jahr ist ein ausgesprochen „harmonischer“ Teamgeist: Die Gruppenimprovisation zeigt ein phantasievolles Interplay, das für ein homogenes Klanggewebe sorgt, bei dem die Erweiterung des eingespielten Trios zu dem Quintett nur als natürlich, als perfekt verstanden werden kann. Die Interaktion aller Beteiligten ist stimmig, ob bei den Powerplay-Stücken oder den eher mysteriös-poetischen Titeln. Simon Nabatovs Spiel in der kollektiven Improvisation ist dabei interessanterweise eher zurückhaltend. Natürlich sind seine atonalen Cluster und sein Tastenzauber in allen Stücken als sein Markenzeichen unverkennbar. Auch dürfte seine Rolle als Impulsgeber für die anderen Musiker wesentlich sein. Jedoch finden alle Instrumente ihren gleichberechtigten Part. Und das Ergebnis ist insgesamt eine hervorragende Aufnahme eines phantasiereichen Quintetts mit hohem Energielevel und großer Intensität. Improvisierte Musik vom Feinsten!
CD
Simon Nabatov 3+2
Verbs
cleanfeed records 2023