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Sergio Armaroli und Fritz Hauser

Angelica

Mülheim a.d.R., 08.05.2021
TEXT: Peter E. Rytz | 

Angelica heißt die neue CD von Sergio Armaroli und Fritz Hauser. Angelica, ein Vorname, aber auch mehrere Orten in den USA heißen so. Vielen ist Angelica vor allem als Engelwurz aus der Familie der Doldenblütler als Inbegriff von Gesundheit und Heilkraft bekannt. Welcher Angelica huldigen Armaroli und Hauser mit ihrer Musik?

Sie loten im ersten Track mit Überzeugung nichts weniger als die musikalische Heilkraft mit Sound-Pattern aus. Ähnlich Bewegungen gleich, die sich beim aufmerksamen Gehen durch eine Stadt in einen eigenen Lauf-Rhythmus übertragen, entwerfen sie Klangmuster der Stille. Niemals von Niemandem gleich erfahrbar. Ein laufender Prozess, den Armaroli und Hauser musikalisch methodisch strukturieren: Structuring the silence.

Differenzierte Dynamik sowie gebrochene Rhythmen werden im Wechselspiel mittels ihres außergewöhnlich reichhaltigen Instrumentariums gestaltet. Armaroli erkundet mit Vibraphone, Percussion, Glockenspiel und Electronics sowie mit einem Arsenal an Zimbeln, sogenannten Crotales - wie man dabei gleichzeitig noch lernt –, esoterisch bis mystisch assoziierte Klanglandschaften. Perkussiv betont, umrahmt Hausers Drum-Set unaufhaltsam wabernd kristallin luzide Sound-Räume.

Es ist, als würde sandiges Geröll in einer windigen Nacht für Momente zerstreut und sich in der Stille einer geschützten Nische wieder sammeln. Die Verszeile - wenn der Wind voller Weltraum uns am Angesicht zehrt -, aus Rainer Maria Rilkes Versepos "Duineser Elegien" kommt einem unwillkürlich in den Sinn.

Wie tönt eigentlich Stille? John Cages Antwort mit 4‘33‘‘ hat die Idee eines stillen Musikstücks kanonisiert. Armaroli und Hauser modulieren mitunter aus dem für das menschliche Ohr fast unhörbaren Bereich Töne, die, eben noch mehr geahnt als gehört, im Schweigen des Weltraumrauschens verschwinden.

Nach Structuring the silence, gleich einem Vorspiel, entwickelt der Track Angelica einen merkwürdigen, an Zirkusmanegen-Orchester erinnernden Klang. Bühne frei mit Trommelwirbel und Zimbeln, als begönne eine Pferdedressur. Aufgelöst in einer minutenlangen, nervigen Einheitsrhythmus-Hatz, behauptet sich letztlich nur etwas wie lyrisch artikulierte Vergeblichkeit.

Die Heilkraft der Engelwurz-Angelica versandet leider nach dem klangfeinen Track Structuring the silence. Ambivalent offenbar auch für die Konzertbesucher der Live-Performance. Der nach den Tracks jeweils eingespielte Applaus ist dürftig und zurückhaltend. Ausdruck stiller Begeisterung? Offenbar -

Sergio Armaroli & Fritz Hauser

AngelicaCDLR895CD

Recorded at the Angelica Contemporary Music Festa, Teatro San Leonardo, Bologna, Italy, January 30th 2019.

LEO Records 2021

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