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Sebastian Studnitzky

Ky!

Berlin, 30.11.2025
TEXT: Stefan Pieper | 

Im Dezember 2024 versammelte Sebastian Studnitzky seine Band EUPHORIA und das Kammerorchester der Odesa Philharmonic unter Volodymyr Dykyi im Berliner Meistersaal. 30 Musikerinnen und Musiker, eine einzige Aufnahmesession, kein Raum für Korrekturen. Nach dem umfangreichen Memento Odesa-Projekt und einer intensiven Phase als XJAZZ-Festivalmacher wählt Ky! einen reduzierteren Ansatz – weniger Ausführende im Klangkörper bedeuten aber keineswegs weniger Intensität. Im Gegenteil: Die kreative Energie, die sich während seiner Jahre als Ermöglicher für andere Musikschaffende aufgestaut hat, entlädt sich hier in einem Werk, das Multi-Instrumentalismus, Genre-Sprengung und emotionale Tiefe bündelt.

Schon das Stück "Euphoria" wird von Studnitzkys charakteristischem Trompetensound getragen: diesem offenen, atmenden Charakter, der manchmal vokal und seufzend, oft melancholisch eingefärbt daherkommt. Studnitzkys Doppelbegabung als Trompeter und Pianist gibt auch diesem Werk sein besonderes Gepräge, denn seine elegante Anschlagskultur in eloquenten Pianosoli macht das Hörvergnügen reich. Das Stück funktioniert als programmatischer Auftakt – intensiv und hypnotisch groovend, mit Melodien von roher Schönheit.

Claudio Puntin steuert elektronische Texturen über seine Woodwinds und Soundflächen bei. Arto Mäkeläs Gitarre liefert zarte Akkorde als harmonisches Gerüst, während Bodek Jankes Tabla immer wieder einen vitalen Puls setzt. Und nicht nur hier demonstriert das Kammerorchester der Odesa Philharmonic unter Volodymyr Dykyi seine klangmalerische Kompetenz. Die Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Ensemble ist mehr als eine musikalische Entscheidung – sie ist ein in Odesa inmitten des Krieges gewachsenes Projekt, das auf Tourneen durch Deutschland emotionale Spuren hinterlassen hat. Die ausdrucksstarken Interventionen der dunkel timbrierten Streicher sind keine bloße Begleitung – sie funktionieren als Rede und Gegenrede, vor allem als bereichernde Kommentare. Die perkussiven Impulse von Bodek Janke und das feinfühlige Drumming von Tim Sarhan geben den Tracks unterschwellige Spannung. Expressive hohe Linien von Claudio Puntins Klarinette setzen Kontrapunkte.

Über samtige Harmonien, die oft einen behaglichen Klangteppich weben, legen die sieben Stücke weitgespannte Melodien, bauen narrative Bögen und halten mit lebendiger Bewegung wach. Die Kompositionen sind wie dramaturgische Unterhaltungen – Rede und Gegenrede, Kommentare, vor allem durch orchestrale Einwürfe realisiert. Nummern wie "Amaya" und "Sogno" kommen sphärisch, langsam und schwebend daher, getragen von orchestraler Weite. "Aura" entfaltet eine spirituelle Tiefe – unterstützt durch Arto Mäkeläs Gitarre, die mit zarten Akkorden das harmonische Gerüst stützt. "Black Moon" ist wohl das dramatischste Stück der CD und verkörpert Düsternis und Hoffnung zugleich – eine Balance, die das gesamte Album trägt.

Der Schlusstitel "I Thought It's Too Late" wirkt wie ein berührender, manchmal aber auch an der Grenze zur Untiefe rangierender Abschied voller Zärtlichkeit. Vielleicht so wie ein Fazit, das heißen könnte: „Vielleicht war es doch nicht zu spät." Wer filmisch konzipierte Soundscapes zwischen Jazz, Kammerorchester und behutsam dosierten elektronischen Elementen schätzt, darf sich in bestem Sinne zuhause fühlen.

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