Scott Fields Feartet
„Kintsugi“ > Between the Lines
TEXT: Stefan Pieper |
Das Streicher-Kammerensemble als Medium zur expressiven Konzentration, für Abenteuerlust, Wagemut und kompromisslose Strenge zum einen und die Jazzgitarre als Impulsgeber, als Erzähler, als Improvisaationsvehikel für Fantasie und Feeling – zwei Welten, die sich begegnen im „Feartet“ des aus Chicago stammenden Gitarristen Scott Fields. Wenn man die neue CD zum etlichsten Male furchtlos durchgehört hat und darüber staunt, wie mitreißend-hypnotisch hier selbst die sperrigsten Klangwelten inszeniert werden, da hat sich auch jedes Nachdenken über Crossoverbegriffe längst verflüchtigt. Denn es geht darum, was neues organisches hervorzubringen. „Kintsugi“ vom Scott Fields Feartet vollzieht also nicht einfach die Verbindung von Streichern mit einem Gitarristen – das Saitenspiel des aus der Freejazz-Szene hervorgehenden Scott Fields verschmilzt vielmehr mit dem „klassischen“ Streich-Trio, um damit eine vollwertige, regelrecht orchestral verdichtete Quartettbesetzung zu bilden.
Aber was sind schon Rollenverteilungen, wenn doch Variabilität und das Austesten von Konstellationen auf der Agenda steht. Axel Lindner, Violine, Vincent Royer, Viola und Elisabeth Fügemann , die übrigens auch Jazz-Cello studiert hat, stehen dem freigeistigen Gitarristen auf jeden Fall als extrem wagemutige Musikerpersönlichkeiten aus der Kölner Szene zur Seite.
Und dann geht es auch schon ohne weitere Gelegenheit zum Atemholen oder Zurücklehnen nach vorn. Da sind gerade noch einige puristische Webernsche Klangtupfer von der Decke hinab, als solle erst mal das formstreng formulierte Klangereignis herausdestilliert werden. Aber der einsetzende ruhelos vibrierende Spielfluss von Scott Fields Gitarre versetzt alles sogleich in lässiges Swingen und in einen schier rauschhaften Fluss hinein. Fields steuert mit seinen Fingern die Richtung dieses Ideenflusses und lässt sich all dies mit den Klangfarben des Quartetts weiter übermalen. Das setzt ein dissonantes Actionpainting mit akustischen Signalen, verdichteten Geräuschwelten mit jeder Verweigerung an das banale „Schöne“, dafür mit furchteinflößender Kratzbürstigkeit frei. Bögen sausen und dreschen perkussiv über die Saiten. Es fetzt, flirrt und gleißt, Klangkaskaden brechen wie Eruptionen aus dem Instrumentarium hervor. Spielerische Gesten verwirbeln sich, werden im wütenden Sturm fortgerissen. Das ganze ist genau dosiert, erscheint bei mehrmaligem Hören immer ausdifferenzierter, denn die zugrundeliegende Ideenfülle ist immens und geht weitgehend auf Scott Fields kompositorische Feder zurück.
Die Stücke auf der CD wechseln in ihrem Gestus, ihrem Tempo, ihrer Grundidee. Mal baut alles auf einer Grundstruktur auf, doch dann swingt, groovt und rockt es auch schon wieder. Es ist eine Spiellust, die zur Spielwut wird. Die sämtliche Klangmöglichkeiten des Streichquartetts auslotet und mit dem ganzen expressiven Reichtum eines wagemutig nach vorne blickenden elektrischen Gitarrenspiels durchtränkt und gesättigt ist. „Es ist geht nicht darum, unsere Hörgewohnheiten zu reflektieren, sondern darum, unsere Ohren zu öffnen für eine Neuinterpretation des bisher Gehörten“ findet sich der hohe Anspruch dieser Produktion im Begleittext auf den Punkt gebracht. Scott Fields hat hiermit zum ersten Mal auf dem Label „Between the Lines“ veröffentlicht. Auf jeden Fall ist er hier in guter Gesellschaft mit früheren Weggefährten in Sachen freier Musik, etwa Gerry Hemingway oder Frank Gratkowski. Auch mit Marylin Crispell oder Hamid Drake war er schon unterwegs. Aktuell lebt er in Köln und spielt dort regelmäßig mit fast einem Dutzend Ensembles zusammen.
Scott Fields
, guitar
Elisabeth Fügemann
, cello
Axel Lindner, violin
Vincent Royer, viola
VÖ Sept 2013
5 Tracks, Time 59:26
Recorded at Topaz Studio Cologne Juliy 2013