Reiner Witzel überzeugt mit zwei neuen CD-Produktionen
Modern Jazz und Weltmusik vom feinsten
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
Gleich zwei neue Produktionen des Saxophonisten Reiner Witzel sind zu vermelden – bei aller Unterschiedlichkeit handelt es sich um zwei ausgesprochen hörenswerte Veröffentlichungen.
Das Album Live ist eindeutig dem Jazz zuzuordnen. Witzels Trio mit dem Kontrabassisten Joscha Oetz und dem Drummer Christian Scheuber wird durch den internationalen Ausnahmepianisten Richie Beirach erweitert. Das Quartett konnte mit seinem Programm ein großes Publikum begeistern, jetzt kann man diese Begeisterung mit der Live-Aufnahme aus der Düsseldorfer Jazzschmiede nachvollziehen. Und jeder Takt der acht Titel der Doppel-CD ist eine wahre Freude über ein wildes und energiegeladenes Album, das vor Spielfreude und Einfallsreichtum der jeweiligen Solisten und einem perfekt aufeinander abgestimmten Ensemblespiel nur so strotzt. Bereits der Opener mit dem Standard Softly As in A Morning Sunrise überzeugt mit einem temporeichen Spiel, Reiner Witzel bläst sein Sopran-Sax verblüffend coltrane-like. Mit You Don’t Know What Love Is interpretiert die Band einen weiteren Standard – in rasantem Tempo. Die Eigenkompositionen wie das elegische So Far So Near (von Christian Scheuber) oder die Uptempo-Nummer Northern Fields und Volga mit ihren Tempo- und Temperamentwechseln (beide aus der Feder von Reiner Witzel ) erweisen sich als routiniert-raffiniertes Zusammenspiel einer Modern-Jazz-Combo, deren Mitglieder sich offensichtlich gut kennen und ebenso verstehen. Die beiden Kompositionen von Richie Beirach – Leaving und der superschnelle Blues New Blues Burn – geben neben dem Pianisten auch den anderen Bandmitgliedern Gelegenheit zu gelungenen Soli.
Das Konzert endet mit der wunderbar entspannten Version des Bill Evans-Klassikers Peace Piece, die allein schon die Anschaffung der CD rechtfertigte. Über den bekannten ostinaten Piano-Akkorden bläst Witzel auf seinem Alt-Saxophon wunderschön modulierte klare Linien, während der Pianist mit raffinierten harmonischen Einfällen das meditative Gleichmaß des Stücks auflöst.
Das Album Aneya geht stilistisch in eine völlig andere Richtung und ist Resultat der 2-jährigen Zusammenarbeit des Saxophonisten mit der kamerunischen Sängerin Kareyce Fotso. Dank der Unterstützung des Goethe-Instituts in Kamerun wurde eine Kooperation des Vokalstars mit weltweiter Fangemeinde und Reiner Witzel möglich, der in seiner Arbeit mit Weltmusik-Legenden wie Fela Kuti und Third World bereits eindrücklich zeigen konnte, neben dem Jazz auch in diesem Musikidiom bewandert zu sein. Die elf Titel der CD – so verschieden sie auch stilistisch von Live sein mögen – leben von ähnlicher Energie und überbordendem Ideenreichtum, die Kompositionen von Kareyce Fotso und Reiner Witzel in der Umsetzung mit einer kamerunischen Band bieten ein hörenswertes Panoptikum von stilistischen Einflüssen aus Pop, Jazz, Reggae, Rock, Funk und natürlich afrikanischer Musiktradition mit ihrem überwältigenden rhythmischen Reichtum. Jeder Titel ist ein Beweis für eine gelungene kulturübergreifende Fusion mit tanzbarem Groove. Das schön gestaltete Booklet liefert neben einer Reihe von fotografischen Eindrücken von der Aufnahme in Kamerun die Song-Texte in Französisch und Englisch.
Kareyce Fotso & Reiner Witzel : Aneya. JazzSick Records, Vertrieb: Membran
Witzel/Beirach/Scheuber/Oetz: Live. JazzSick Records, Vertrieb: Membran