Magnolia
Embrace
TEXT: Stefan Pieper |
Sich Zeit nehmen heißt, Dinge reifen zu lassen. Das passt besonders, wenn sich zwei der hohen Kunst verschreiben, mit wenigen Tönen möglichst viel zu "sagen" – und dafür liefert „Embrace", das neue, intime Album des Duos Magnolia, bestehend aus Anne Hartkamp (Gesang) und Philipp van Endert (Gitarre) den überzeugenden Beleg. Nach fast zwei Jahrzehnten gemeinsamen Musizierens demonstrieren die Kölner Jazzsängerin und der Düsseldorfer Gitarrist mit diesem dritten Release auf dem Jazzsick Label , welch starke Wirkung aus dem Unspektakulären hervorgehen kann.
Die Stärken sind hier klar definiert: Philipp van Endert ist ein meisterhafter Gitarrist mit fantasievoller, einfühlsamer Klangsprache und Phrasierungskunst – eine Qualität, die auch Anne Hartkamp mit ihrer charakterstarken Stimme und makelloser Intonation verkörpert. Die klare, räumlich-transparente Aufnahmequalität sorgt zudem dafür, dass Gitarre und Stimme präsent, aber nie aufdringlich wirken – ein weiterer Aspekt, welcher der Intimität dieses Hörvergnügens entgegen kommt.
Die neun Kompositionen des Albums zeugen von reichen Fundus an Einflüssen und Erfahrungen. Der Opener "Come, Come, Come" beginnt mit einer ausdrucksstarken A-cappella-Melodie, bevor Hartkamps virtuose Improvisationen und van Enderts sensibles Gitarrenspiel zum Dialog verschmelzen.
Mit ihrer persönlichen Neuinterpretation des Jimi-Hendrix-Blues "Angel" demonstrierendie beiden, wie sich ein ikonisches Original in die zeitlose Sprache des Jazz überführen lässt, ohne seine emotionale Essenz zu verlieren. Dabei beeinidruckt unter anderem, wie organisch sich van Enderts Gitarrensolo aus Hartkamps geschmeidiger Gesangslinie entwickelt.
Es geht ums kunstvolle Erzählen
Die beschwingt-verspielte Eigenkomposition "Bar Do Meio", entstanden aus van Enderts "Sundowner" (Album "Moon Balloon"), offenbart die spielerische Kommunikation zwischen virtuosen Gitarrenlicks und ausdrucksstarkem Scatgesang. Das Titelstück erfährt auf "Embrace" eine atmosphärisch dichte Neu-Interpretation und entführt in entrückte Klangwelten, von denen das Album nicht wenige bereithält. Fred Herschs "A Wish" wird mit Norma Winstones Lyrics zum feinfühligen Kammerspiel, während der Bebop-Klassiker "Anthropology" durch expressive vokale Gesten noch an Theatralik gewinnt. Mit dem eleganten "I Used To Dream" präsentieren die Künstler einen sanft pulsierenden Samba, während "April, She Says" von einem portugiesischen Frühlingsspaziergang erzählt. Tropicalistisch und gefühlvoll schließt "O Silêncio Das Estrelas" des brasilianischen Künstlers Lenine nach einem Gedicht von Dudu Falcão den musikalischen Bogen.
Wie ein roter Faden ziehen sich die Themen Suchen, Fragen und Wagen durch das gesamte Werk. Hartkamp und van Endert haben ein Album geschaffen, das die Essenz ihrer langjährigen Zusammenarbeit einfängt – unmittelbar, durchdacht und von beeindruckender künstlerischer Reife. Eine musikalische Umarmung im besten Sinne!