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Patrick Bade - Music Wars 1937-1945

Propaganda, Götterfunken, Swing

Düsseldorf, 28.03.2016
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Laika Verlag

Seit 1935 war Jazz im deutschen Rundfunk verboten und die “Swingjugend“ wurde verfolgt. Gleichzeitig gründete Goebbels in den letzten Kriegsjahren zu Propagandazwecken eine Jazzband für Rundfunksendungen mit dem Namen“Charly and his Orchestra“. Die Auswahl der Lieder richtete sich vor allem nach dem Bekanntheitsgrad beim englischen und amerikanischen Publikum, viele Songs aus Hollywood und vom Broadway waren im Repertoire. Dabei scheuten sich die Nazis nicht auch Stücke von jüdischen Komponisten zu spielen. In den letzten Kriegsmonaten stieß auch die Sängerin und Schauspielerin Evelyn Künneke zu dieser Band. Sie war im Gefängnis und ihr drohte die Todesstrafe wegen Defätismus vor dem Feind. Sie hatte im betrunkenen Zustand gesagt, dass die Russen die Deutschen besiegen würden.

Zwei SS Offizieren retteten sie, weil die Nazis ihre Stimme für das Jazzprojekt gebrauchen konnten. Sie musste Songs von Ela Fitzgerald singen um gegnerische Soldaten dazu zubringen deutschen Rundfunk zu hören. Mit Swing wurde die Nazi Propaganda musikalisch verpackt.

Im besetzten Frankreich konnte der legendäre Gitarrist Django Reinhardt, unbehelligt Musik machen, obwohl er Sinti war. „Zigeunermusik“ war sehr beliebt bei der Bevölkerung und es gab einen einflussreichen Musikliebhaber bei den Nazis, der seine Hand über ihn hielt. Obwohl Jazz offiziell verurteilt wurde, erlebte er während der deutschen Besatzung in Frankreich eine Blütezeit. Allein Radio Paris, das von den deutschen Besatzern kontrolliert wurde, strahlte zwischen 1940 und 1942 allein über 500 Jazz und Tanzmusik Sendungen mit dem Orchester von Raymond Legrand aus. Nach dem Krieg erhielt Legrand dafür ein halbes Jahr Auftrittsverbot.

Diese und viele andere bemerkenswerte Geschichten und Fakten zum Jazz finden sich in Patrick Bades Buch „Music Wars“.

Aber Bade behandelt nicht nur die Rolle von Swing im zweiten Weltkrieg, sondern auch klassische symphonische Musik und Opern ebenso wie populäre Operetten- und Unterhaltungsmusik. Auch aus diesen Bereichen schildert er viele erstaunliche Tatsachen.

So war der meistgespielte Opernkomponist im 3. Reich nicht etwa Wagner sondern Guiseppe Verdi und der meistgespielte Komponist im „feindlichen“ Ausland war Beethoven.

Der größte Hit des 2. Weltkrieges war Lily Marlene, ein Lied das von den Soldaten aller Kriegsparteien geliebt wurde. Im Afrikafeldzug, wo die englischen und deutschen Truppen sich auf kurzer Distanz gegenüberstanden, wurde an jedem Abend wenn Lily Marlene im deutschen Radio ertönte, von beiden Seiten eine Feuerpause eingehalten. Das Lied, von Lale Anderssen gesungen, verkaufte sich nur 700 mal auf Schallplatte und wäre beinahe in der Versenkung verschwunden, wenn nicht, im von Deutschland besetzten Belgrad,, die Radiostation Mangel an Tonträgern gehabt hätte und so Lily Marlene fast stündlich gesendet wurde. Dadurch wurde das Lied bekannt und Lily Marlene wurde zum ersten europäischen Hit. Goebbels hasste den sentimentalen Song und ließ ihn im deutschen Radio absetzen. Allerdings musste er ihn, da er so beliebt war, nach kurzem Sendeverbot wieder zulassen.

Der Brite Patrick Bade, ein passionierter Plattensammler, hat eine Geschichte der Musik der wichtigsten Kriegsparteien für die Jahre 1937-1945 zusammengetragen: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA und Russland. Er behandelt eine Zeit, in der Musik eine eminente Bedeutung bekam und in der sie zum ersten Mal auch gezielt für politische Ziele eingesetzt wurde.

Besonders hilfreich für das Verständnis der Musik im 2. Weltkrieg, ist die Behandlung der beiden Jahre vor dem Kriegsausbruch. So werden Entwicklungen und Tendenzen, ebenso wie Brüche deutlicher.

Das Buch ist ungemein informativ und faktenreich. Diese Fülle an Informationen ist für den spezialisierten Leser ein großes Plus, aber dem “gebildeten Laien“, der nicht alle Opernstars und Schlagersänger dieser Zeit kennt, kann manchmal die Fülle der Namen und Informationen irritieren.

Aber Bade schreibt verständlich, einfach und unterhaltsam, ohne Fachjargon. So kann er die LeserInnen durch seinen interessanten Stoff zu fesseln.

“Music Wars“ ist natürlich ein Buch für Musikliebhaber und besonders aber für Liebhaber derMusik aus den Jahren 1937-1945. Darüber hinaus behandelt es einen wichtigen Aspekt Zeitgeschichte. Aber vor allem ist das Buch eine Studie, über den Einsatz von Musik zur politischen Beeinflussung als Mittel der Propaganda.

Patrick Bade ist seit 1981 Dozent an der Christie’s Education in London und arbeitet am London Jewish Cultural Centre. Er publiziert regelmäßig über bildende Kunst und Musik.

Patrick Bade, Music Wars 1937- 1945 – Propaganda, Götterfunken, Swing:

Musik im zweiten Weltkrieg

Aus dem Englischen von Heike Warth

Laika Verlag, Hamburg 2015, 512 Seiten, 34 €

ISBN: 978-3-944233-41-3

http://www.laika-verlag.de/

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