Pablo Held Trio
Recondita Armonia
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
Das Pablo Held Trio gilt spätestens nach seiner allgemein bejubelten CD The Trio Meets John Scofield mit der Gitarristen-Legende John Scofield als eine der angesagtesten aktuellen Jazz-Combos. Der aus Herdecke stammende Pablo Held am Piano, Robert Landfermann am Kontrabass und Jonas Burgwinkel gelten als Vertreter der jüngeren Jazzgeneration, die auf ihren CDs und bei all ihren Live-Auftritten ob ihres improvisatorischen und musikalischen Einfallsreichtums und ihrer Virtuosität im wahrsten Sinne aufhorchen lassen. Jetzt erscheint die mit Spannung erwartete neue CD - wieder bei Pirouet Records.
Cover und v.a. der Titel verstören: Recondita Armonia, verborgene Harmonien – der Titel ist nach einer berühmten Romanze aus Giacomo Puccinis Oper Tosca benannt. Spätestens jetzt klingeln beim Jazzfan die Alarmglocken: Wieder einer der berühmt-berüchtigten Versuche, Klassik und Jazz zu fusionieren, Klassik zu „verjazzen“, was immer einen eher pejorativen Beigeschmack hat, und damit sich als Musiker vermeintlich zu nobilitieren oder sich mit Hilfe von Ohrwürmern der Klassik marketing-technisch neue Zielgruppen zu erschließen? Die Stücke des Pablo Held Trios widerlegen dann sehr schnell den Verdacht, dass die drei Musiker sich an eingängigen Klassik-Klassikern anbiedernd abarbeiten wollten. Die Auswahl der Stücke bezieht sich eher auf wenig hitverdächtige Komponisten wie Federico Mompou, Sergej Rachmaninoff, Béla Bartók, Igor Stravinsky, Paul Hindemith, Giacomo Puccini oder Charles Tournemire – alle Stücke sind weit vom Horror der Kleine Nachtmusik-Adaptionen oder dem Play Bach-Kitsch à la Jacques Loussier entfernt. Im Gegenteil: Bereits beim ersten Hören von Recondita Armonia wird der Ansatz der drei Ausnahmemusiker deutlich: Zu hören ist eine wunderbar balladeske Musik, ein ruhiger kammermusikalischer Jazz. Die Referenz zu klassischen Stücken ist nicht auf Anhieb erkennbar, sie soll es wohl auch nicht sein. Die acht Tracks der CD erweisen eher den Vorbildern der Klassik Reverenz, mit denen der Pianistensohn Pablo Held musikalisch sozialisiert wurde. Sporadisch fanden sich schon auf früheren CDs Kompositionen des Katalanen Federico Mompou oder Olivier Messiaen und Manual de Falla, auch das ein oder andere Live-Konzert war mit „Klassik“ bestückt. Die neue CD des Trios jedoch verfolgt konsequent den Klassikbezug – allerdings in einem dem Jazzidiom ausgesprochen verwandten Modus, nämlich der Ballade. Unabhängig, ob man melodische Linien von Offertoire aus der L’orgue Mystique etwa des Organisten und Improvisationstalents Charles Tournemires erkennt oder das Agnus Dei aus der Messe von Stravinsky oder Béla Bartóks Nr. 4 aus den Rumänischen Volkstänzen oder die titelgebende Romanze von Puccinis Oper Tosca – man braucht diese Bezüge nicht nachvollziehen zu können, auch nicht ihre klassischen Wurzeln in ihrer Transformation durch Harmonik, durch die Besetzung eines perfekt aufeinander abgestimmten Jazz-Trios wiederzuerkennen. Vielmehr erlebt man einen entspannten, ja: reifen Reigen der Improvisation, alle drei Instrumente kommen unaufgeregt, geradezu schnörkellos daher. Das mag vielleicht nicht frei von gewisser Monotonie sein, jedoch bei genauem Zuhören entfalten sich das Raffinement und das subtil differenzierte Spiel der drei Musiker. Nein, an den Erfolg der vorangegangenen CD knüpft das Trio nicht zwanghaft an oder will diesen gar toppen. Sehr souverän finden Pablo Held , Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel zu einer spannenden Musik, die nicht nur durch abgeklärte Schönheit glänzt, sondern Neugier auf die Spurensuche beim klassischen Ursprungsmaterial weckt. Sicherlich bedeutet die CD einen nicht häufig gelingenden Fusionsversuch von Klassik und Jazz, ein Versuch, der sich von bloßen „modischen“ Klang- und Rhythmustransformationen wie zum Beispiel bei Francesco Tristano und generell vom ausbeuterischen Gestus der Klassik gegenüber unterscheidet und dem Wesenskern des Jazz, der Improvisation, deutlich näher ist.
Pablo Held Trio: Recondita Armonia
Pirouet Records – PIT3085
Vertrieb:
NRW Vertrieb/ Naxos
VÖ: 28.8.2015