OZMA
The Day we decide to live at night
TEXT: Stefan Pieper |
Die düstere Booklet-Design offenbart sofort die ästhetische Heimat dieser französischen Formation OZMA: nächtliche Metropolis-Landschaften in einer an "Blade Runner" gemahnenden Bildsprache fordern zum Eintauchen ins Zwielicht urbaner Abgründe geradezu heraus. Mit ihrem achten Studioalbum "THE DAY WE DECIDE TO LIVE AT NIGHT" (erschienen auf Berholt Records) erhebt die Band nämlich den Anspruch, das eigene Dasein als tiefgründigen Film Noir zu inszenieren. Angesichts der visualisierten Straßenschluchten, dystopischen Gewölbe und Magritte'schen Realitätsverschiebungen ist die künstlerische Messlatte beachtlich hoch gesetzt.
Die Musiker um Schlagzeuger und Bandleader Stéphane Scharlé lösen diesen Anspruch mit bemerkenswerter Souveränität ein – und das, ohne dabei ihre musikalische Bodenhaftung zu verlieren. Im Zwielicht der urbanen Abgründe entfaltet sich eine Klangwelt, die kraftvoll in Heavy-Metal-Sphären vordringt – aber so, dass Scharlés tonsprachliche Handschrift wie ein verlässlicher programmatischer Kompass fungiert.
Los geht es mit einem hymnischen Saxophon-Intro durch Musina Ebobissé, bevor Édouard Séro-Guillaumes wuchtige Bass-Figuren und Martin Ferreyros' tonnenschwere Gitarren-Riffs jeden Raum zum Vibrieren bringen. Die Stücke nehmen den Hörer mit auf verschlungene Pfade – sie brausen auf, atmen durch, lassen emotionale Tiefe zu. Eine melancholische Gitarrenmelodie hier, elektronische Exkurse durch Dan Jouravskys Keyboards, in ausgesuchten Momenten eine psychedelische "Stimme" auf der Querflöte, realisiert durch Delphine Joussein mit ihrer expressiven Instrumentenbeherrrschung und diesen charakteristischen eindrucksvolle Screams, die ihr so schnell keiner nach macht.
Im weiteren Verlauf des Albums zeigt sich auch mal eine getragenere, lyrischere Gangart – stellenweise beinahe versöhnlich, als hätte man bewusst nach melodiöser Zugänglichkeit gesucht. Daran wirkt vor allem ein Saxofon tatkräftig mit. Wie ein emotionales Refugium wirkt das arabisch anmutende Liebeslied "Amours Volatiles" mit Lynn Adibs bezaubernder Stimme, das die Hörerschaft für die anschließenden experimentelleren Ausflüge empfänglich macht, wenn die Band wieder zu kraftvolleren wuchtigen Klangstrukturen abhebt.
Vor allem "Metalycra" – mit Delphine Joussein an der Flöte und aufgemotzt durch zusätzlichen Gitarren erweist sich als Prog-Metal in Reinkultur. Im Kontrast zur visuellen Dystopie des Booklets durchzieht die Musik aber immer wieder ein hoffnungsvoller Silberstreif am Horizont. Diese Ausgewogenheit macht "THE DAY WE DECIDE TO LIVE AT NIGHT" zu einem überzeugenden künstlerischen Statement, das weit mehr ist als die Summe seiner Teile – ein atmosphärisch dichtes Konzeptalbum, das uns einlädt, die Schönheit im Dunkeln zu entdecken.