Oliver Lutz
Calamari Fantasy
TEXT: Stefan Pieper |
Im nie versiegenden Strom musikalischer Entwicklungen beharrt der Bassist Oliver Lutz mit offenem Geist auf zeitlosen künstlerischen Idealen. Sein mit der Formation Re.Calamari realisiertes Werk "Calamari Fantasy" (Klaeng-Records) offenbart sich dem aufmerksamen Hörer als ein faszinierendes Gemisch aus Fusion-Tradition und zeitgenössischer Betrachtung, um damit die vermeintliche Geschichtlichkeit eines ikonischen Stils souverän zu überschreiten und in einen Dialog mit der Gegenwart zu überführen.
Das funktioniert aber hier, weil sich die Zusammenstellung der Mitwirkenden als glückliche Fügung erweist: Noch relativ neu in der Band ist Tineke Postma, jene niederländische Saxophonistin mit einer unnachahmlichen Ausdruckskraft, während Pablo Held sich vor allem auf Fender Rhodes und diversen Synthesizern als idealistischer Klangästhet der großen, zeitlosen Sache verschreibt. Peter Gall am Schlagzeug verkörpert das pulsierende Zentrum dieser Formation – ein Schlagzeuger, dessen rhythmisches Feingefühl den Stücken gleichzeitig klare Struktur und Freiraum eröffnet. Und ja: Oliver Lutz selbst ist nicht nur ein variantenreicher E-Bassist, sondern hat auch sämtliche Stücke dieses neuen Albums so geschrieben, dass sich eben die eingangs beschriebenen Qualitäten ohne großes Aufhebens einstellen.
Hier sind berufene Klangästheten am Werk
Das als Eröffnung dienende "Calamari Fantasy" aus der Feder Pablo Held s – eine unmittelbar vor den Aufnahmesessions entstandene Komposition – breitet augenblicklich die ganze künstlerische Welt dieses Albums aus. Helds Rhodes-Spiel schafft durchsichtige Klanggebilde, in denen Lutz' Bass nicht nur als tonales Fundament, sondern als gleichberechtigter melodischer Hauptdarsteller agiert. In der faszinierenden Klanglandschaft des folgenden Stückes "Stargazer" überschreitet Lutz die gewohnten Grenzen seines Instruments mittels einer ausgeklügelten Effekt-Sammlung. Die daraus entstehende klangliche Vielschichtigkeit bildet den Resonanzraum für Postmas Saxophon-Ausflüge. Das Stück "Lea's Dance" hat Oliver Lutz seiner Lebensgefährtin gewidmet – und bei aller balladesken Romantik zeigt sich auch eine bewusste Verneigung vor den späten Miles Davis-Formationen: Der durch Oktav-Effekte verfremdete Bass geht hier soweit rauf wie eine Gitarre, so hat es neben Jaco Pastorius auch der Bassist Foley in den späten Funkbands von Miles Davis praktiziert. "Romanze" eröffnet dann weite Räume für Postmas Sopransaxophon, dessen schwermütige Linienführung eine nachdenkliche Atmosphäre erzeugt, während "Swoosh" – ursprünglich als Hommage an den legendären Jaco Pastorius gedacht – durch die künstlerische Einmischung Pablo Held s eine verwandelte Umformung im Geiste der Weather Report-Ästhetik erfährt.
Die stilistische Vielfalt zeigt sich auch weiterhin, etwa im gitarristisch daher kommenden Stück "Old & Wise" und dem rhythmisch betonten "The Revenge of Ronni Love" mit knackigen Basslinien und prägnanter Phrasierung. "Alfhari's Melancholia" beschließt das Album wie ein etwas nachdenklicher Epilog. Kurzum: Hier wissen vier erfahrene Musikerpersönlichkeiten, was sie tun und wollen. Dieses Wechselspiel zwischen kompositorischer Festlegung und improvisatorischer Freiheit, zwischen künstlerischer Tradition und fortschrittlicher Erneuerung wirkt wie ein selbstbewusstes, zugleich seriöses Statement jenseits vergänglicher Trends.
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