Bild für Beitrag: Nils Wülker & Arne Jansen | CLOSER - ist weniger mehr?
Bild für Beitrag: Nils Wülker & Arne Jansen | CLOSER - ist weniger mehr?

Nils Wülker & Arne Jansen

CLOSER - ist weniger mehr?

München, 09.02.2023
TEXT: Heinz Schlinkert | 

Von der Presse schon vorher hochgelobt ist das neue Album 'Closer' von Nils Wülker und Arne Jansen am 3. Februar offiziell erschienen. Sind soviel Vorschuss-Lorbeeren berechtigt oder ist das Duo-Format nur eine Notlösung aus Corona-Zeiten, die man in die Gegenwart hinübergerettet hat?

In den Rezensionen der einschlägigen Fachzeitschriften ist die Rede vom tiefen Vertrauensverhätnis der beiden Musiker, die sich schon seit über 20 Jahren kennen und die nun das Spiel im Duo neu erfunden hätten. Darüber hinaus wird der clevere Einsatz der Effekte gelobt, Delays und Loops ließen die Band größer erscheinen als sie eigentlich ist.

So ganz neu ist dieses Album im Grunde nicht. Schon im letzten Jahr konnte man drei Auskopplungen als ‚Singles‘ anhören und schon 2019 spielten Wülker und Jansen eine deutschlandweite Duo-Tour unter dem Namen "Closer" mit vielen dieser Stücke, u.a. im Dortmunder Westfalenpark.

  • 10x Entspannung im Doppelpack

Die 10 Stücke sind recht vielfältig, einige haben die beiden selbst komponiert wie So Close to You, He Who Counts the Stars, andere werden recht originell gecovert wie Hurt von Trent Reznor, YaYaYavon Ry Mitchell Cuming und Let’s Go Out Tonight von Paul Buchanan / The Blue Nile. Wieder andere wie Nika’s Dream hat Nils schon früher gespielt, jetzt aber anders interpretiert.

Hurtz. B. beginnt nur mit einem Loop von der Gitarre, bis das sich Nils sehr melodiös mit dem Flügelhorn einschaltet. Das ist schon fast minimalistisch, sehr intensiv und direkt. Arne schließt zeitweise die Augen, fast meditativ. Arne schlägt ab und zu eine Saite an, deren Töne dann lange über den Looper wiederholt werden, später solistisch ergänzt um einzelne helle Töne. Das ist ein super Anfang, könnte als eine Art Intro gelten.
Mit Nika's Dream gehts weiter, dies auch sehr ruhige Stück hatte Nils im letzten Jahr mit einem Orchester für sein Album Continuum aufgenommen. Ebenso tiefenentspannt kommt es auch hier rüber, nur ohne die Fläche, die das Orchester liefert.

Deep Dive ist dagegen viel rhythmischer. Arne spielt zunächst bei geloopter Basslinie einen Rhythmus, der dann auch geloopt wird, worüber er wiederum Solo spielt. Schön und gut, ist das eine besondere Leistung oder einfach nur eine Errungenschaft der Technik?
Beyond the Bavarian Sky, von Nils komponiert, ist eine Wucht. Pat Metheny’s und Charlie Haden’s Beyond the Missouri Sky stand wohl Pate. Ungeschlagen ist das melodiöse Spiel von Nils auf dem Flügelhorn, hier mit Arne auf der akustischen Gitarre.
Doch im Grunde gehts so weiter, mal mit Effektgerät wie bei He Who Counts The Stars, mal klingt die verzerrte Gitarre fast wie ein Keyboard wie bei The Great He-Goat, doch Überraschungen sind das nicht

  • The Art of the Duo“ - Ist weniger mehr?

Was ist das Besondere an diesem Album? Die Virtuosität der beiden Musiker steht außer Frage. Gerade Nils ist als Melodiker bekannt, und hat auch hier die Gabe, selbst seine Trompete wie ein Flügelhorn klingen zu lassen. Ruhige Stücke scheinen im Moment sehr beliebt zu sein. Ein Duo bietet da vielleicht mehr Ruhe und Übersichtlichkeit, birgt aber auch die Gefahr in sich zu langweilen.

Auch das mag ein Grund gewesen digitale Technik einzusetzen und die Möglichkeiten des Duos zu erweitern. Doch warum? Will man den Drummer und/oder den Bassisten einsparen? Man mag könnte es minimalistisch nennen, aber ist das nur besser, weil es elektronisch ist? Zumindest ist kaum eine besondere musikalische Leistung, eher eine Demonstration, was moderne Technik alles leisten kann. Dass ’weniger’ (Musiker) hier nicht unbedingt ‚mehr‘ Musik bedeutet, ist für eine CD ganz ok, wenn man es mag. Aber bei einem Konzert sieht die Sache schon anders aus. Das konnte man in der Extremform bei einem Auftritt der beiden im August 2020 im Dortmunder Westfalenpark erleben. Damals experimentierte das Duo sehr ausgiebig mit digitaler Technik und drehte zeitweise nur noch an Reglern statt selbst zu spielen. So leidet der Kontakt zum Publikum, weil kaum noch kommuniziert wird.
Doch so krass ist es beim neuen Album nicht; es geht auch nicht darum digitale Technik generell abzulehnen, nur darf sie nicht zum Selbstzweck werden. Dass man sie moderat und sinnvoll einsetzen kann, hat z. B. Joo Kraus, aber auch Nils selbst bei Konzerten mit seiner Band bewiesen.

Am 15.Februar ist das Art of the Duo noch in Herford im Forum Museum Marta zu erleben, hier aber als Quartett mit Julia Hülsmann (p) und Christopher Dell (vib). Sicher eine gute Idee!

Nils Wülker & Arne Jansen - Closer
Label: Warner 2022
Bestellnummer: 11066074
Erscheinungstermin: 3.2.2023

Suche